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Politik

Medien: Bremer Asylskandal weitet sich aus

20. Mai 2018

Schon vor fast zweieinhalb Jahren soll das BAMF über die Probleme bei Asyl-Entscheidungen in seiner Außenstelle Bremen Bescheid gewusst haben. Das sollen interne E-Mails belegen. Damit aber längst nicht genug.

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Die Präsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Jutta Cordt (Foto: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka)
Die Präsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Jutta Cordt Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg hat laut Medienberichten in der Bremer Affäre um unrechtmäßige Asylbescheide deutlich früher als bisher bekannt von möglichen Unregelmäßigkeiten gewusst. Interne E-Mails zeigten, dass die BAMF-Zentrale schon früh über fragwürdige Vorgänge informiert war, diese aber allenfalls schleppend und offenbar nur widerwillig aufklären wollte, berichten "Spiegel Online", NDR und "Süddeutsche Zeitung", denen die E-Mails vorliegen.

Abteilungsleiter wollte "geräuschlose" Prüfung 

Angeschrieben wegen möglicher Unregelmäßigkeiten in den Bremer Asylverfahren habe der zuständige Abteilungsleiter des Bundesamts im Februar 2017 zwar eine Prüfung angeordnet, zugleich aber verfügt, dass diese "geräuschlos" geschehen solle. Er wolle nicht, heiße es in seiner E-Mail, "dass alles bis ins Detail geprüft wird". 

Gegenüber dem Innenausschuss des Bundestags hatte die BAMF-Präsidentin Jutta Cordt kürzlich einen Überblick über die Abläufe der internen Untersuchungen gegeben. Den Vorgang im Februar 2017 habe sie gegenüber den Abgeordneten aber nicht erwähnt, heißt es in dem Bericht. Doch schon 2016 habe es Warnungen an das Bundesamt gegeben, dass es bei den Asylbescheiden aus Bremen möglicherweise nicht mit rechten Dingen zugehe. Der interne E-Mail-Verkehr vom Februar 2017 belege nun, wie Mitarbeiter des Bundesamts mit dem Verdacht umgegangen seien. Im April war bekannt geworden, dass die frühere Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle in 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht bewilligt haben soll. Gegen sie und fünf weitere Beschuldigte wird deshalb ermittelt.

Zehn weitere Außenstellen sollen überprüft werden 

Die - inzwischen schon wieder abgelöste - neue Leiterin sprach danach von einer weit größeren Dimension und vergeblichen Versuchen, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) persönlich darüber zu informieren. So wurde bekannt, dass in Bremen zwischen 2013 und 2017 offenbar bis zu 2.000 Asylanträge ohne rechtliche Grundlage positiv beschieden worden seien. Das Bundesamt für Migration überprüft demnach nun 18.000 positive Bescheide der Bremer Außenstelle. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Asylmissbrauchs und Bestechlichkeit gegen die ehemalige Leiterin der Außenstelle und weitere Beschuldigte.

Ein Entscheider in der BAMF-Außenstelle in Bingen in Rheinland-Pfalz macht sich während eines Gesprächs mit Flüchtlingen Notizen  (Foto: picture alliance/dpa/F. von Erichsen)
Ein Entscheider in der BAMF-Außenstelle in Bingen macht sich bei einem Gespräch mit Flüchtlingen Notizen Bild: picture alliance/dpa/F. von Erichsen

Angesichts der Asyl-Unregelmäßigkeiten in Bremen will das BAMF zehn weitere Außenstellen überprüfen. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" sollen diese auffällig geworden sein, weil es dort bei der Bearbeitung von Asylanträgen im Vergleich zu anderen Dienststellen Abweichungen "nach oben oder unten" gegeben habe. Insgesamt sollen 8.000 Asylanträge noch einmal überprüft werden.

Dolmetscher als weiterer Problembereich 

Zudem will das Bundesflüchtlingsamt die Qualität der Übersetzungen in Asylverfahren erhöhen und schult dazu bereits eingesetzte Dolmetscher nach. Derzeit arbeiten nach einem Bericht der Essener Funke Mediengruppe rund 5.800 Dolmetscher im Auftrag des Bundesamtes, von denen aber lediglich 620 vereidigt seien und ihr Fachwissen zertifiziert hätten. Die meisten seien Laien ohne Ausbildung in diesem Bereich. Mehrere Übersetzer berichteten den Blättern von mangelnder Einarbeitung, schlechter Bezahlung und Stresssituationen.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) bietet das Bundesamt jetzt - auf freiwilliger Basis - fünftägige Seminare an. Geschult würden Gesprächssituationen, Berufsethik und der Umgang mit belastenden Situationen, sagte ein Behördensprecher den Funke-Zeitungen. Das Seminar kostet die Dolmetscher 200 Euro. Bislang fanden laut Bundesverband neun Schulungen mit jeweils einem Dutzend Teilnehmer statt.

Ein Dolmetscher im Gespräch mit Flüchtlingen aus Syrien (Archivfoto: picture-alliance/dpa)
Ein Dolmetscher im Gespräch mit Flüchtlingen aus Syrien (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

Der Dolmetscher-Bundesverband sieht die geringe Zahl professioneller Übersetzer mit Sorge. Den Laien fehlten in der Regel die in einer fundierten Ausbildung vermittelten Techniken sowie soziale Kompetenz und professionelle Distanz, sagte die BDÜ-Projektleiterin "Dolmetschen im Asylwesen", Monika Eingrieber. Anders als vor Gericht oder bei der Polizei herrsche in Asylverfahren "offensichtlich große Unsicherheit". Klare Regeln zu Mindestanforderungen und Eignungen für bestimmte Einsätze fehlten. Im April hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zusammenarbeit mit mehr als 2.000 Dolmetschern beendet, weil sie aus Sicht der Behörde nicht neutral oder vertrauenswürdig erschienen, unpünktlich waren oder Standards nicht einhielten. In der Affäre um mutmaßlich manipulierte Asylentscheidungen in Bremen gehört auch ein Dolmetscher zu den Beschuldigten.

Leitung der Abteilung Migration neu besetzt 

Unterdessen wurde auch bekannt, dass Minister Seehofer die Stelle des Leiters der Abteilung Migration in seinem Ministerium am 2. Mai neu besetzt hat. Darüber hatte zuerst die "Bild am Sonntag" berichtet. "Dies erfolgte im Rahmen einer organisatorischen und personellen Neuausrichtung des Hauses und stand in keiner Weise im Zusammenhang mit den Vorfällen im BAMF", erklärte die Ministeriumssprecherin dazu.

sti/hf (dpa, epd, kna)