May peilt Verschiebung des Brexit-Termins an
25. Februar 2019Großbritanniens Regierungschefin Theresa May zieht offenbar eine Verschiebung des EU-Austritts um bis zu zwei Monate in Betracht, sollte sie bis Mitte März keine Mehrheit im Parlament für ihren Brexit-Vertrag finden. Im Kabinett würden verschiedene Optionen durchgespielt, teilte ein Regierungsvertreter mit. Darauf angesprochen sagte Verteidigungsstaatssekretär Thomas Ellwood der BBC: "Wenn wir diesen Vertrag nicht über die Ziellinie bringen können, stehen wir vor der Entscheidung, verlängern zu müssen."
Juncker: "Ich habe eine gewisse Brexit-Müdigkeit"
Am Rande des EU-Gipfels mit der Arabischen Liga im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich sondierte May, mit welchen Zusicherungen sie eine Mehrheit im Unterhaus sichern könnte. Dazu sprach sie bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Ratspräsident Donald Tusk und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. May verlangt von der Europäischen Union Nachbesserungen am bereits ausgehandelten Brexit-Vertrag, um die Auffanglösung zur Vermeidung einer harten Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland aus der Welt zu schaffen. Diese Lösung wurde nämlich vom Unterhaus schon verworfen. Die EU lehnt eine Vertragsänderung ab, hat aber Klarstellungen zum sogenannten Backstop in Aussicht gestellt.
Tusk und Rasmussen für Brexit-Verschiebung
In ihrem Gespräch mit Merkel habe es keine tiefgreifende Erörterung über eine mögliche Verschiebung gegeben, sagte ein britischer Regierungsvertreter. May wie Merkel hätten aber ihr Interesse an einem geregelten Brexit bekräftigt. Tusk wiederum reagierte positiv auf die Idee einer Verschiebung des britischen EU-Austritts. Eine solche Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt wäre eine "vernünftige Lösung", wenn es für den Austrittsvertrag keine Mehrheit im Londoner Parlament gebe und ein "chaotischer Brexit" drohe, erklärte Tusk.
Für diesen Montag sind noch Gespräche Mays mit dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geplant. Auf die Frage, ob er noch Angebote für die Briten in der Hinterhand habe, antwortete Juncker: "Ich habe eine gewisse Brexit-Müdigkeit."
Auch der dänische Premierminister Lars Løkke Rasmussen betonte in Scharm el Scheich, sein Land werde einer möglichen Brexit-Verschiebung nicht im Wege stehen, wenn dies dazu beitragen sollte, ein Szenario ohne Einigung zu vermeiden. "Ich glaube, dass alle flexibel sein werden. Niemand will, dass das Vereinigte Königreich die EU in ungeordneter Weise verlässt", sagte Rasmussen dem dänischen Sender TV2.
May will am Dienstag dem britischen Parlament berichten, was sie in ihren Gesprächen erreicht hat. Für Mittwoch sind dann Abstimmungen über das weitere Vorgehen vorgesehen, nicht aber über den durchgefallenen Brexit-Vertrag. Diesen will May spätestens bis zum 12. März und damit gut zwei Wochen vor dem geplanten Austritt am 29. März erneut zur Abstimmung stellen.
Druck der Parteien
Dieses Heranrücken der Entscheidung immer näher an den Brexit-Termin bringt die Abgeordneten auf den Plan, die einen ungeordneten Austritt um jeden Preis verhindern und die Regierung zum Antrag auf Aufschub zwingen wollen. Die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper rief die Parlamentarier auf, ihren genau darauf abzielenden Resolutionsentwurf zu unterstützen. Die Ankündigung Mays mache es noch unerlässlicher, "dass das Unterhaus für unser Gesetz stimmt, mit dem wir versuchen, wieder etwas gesunden Menschenverstand in den Prozess einzubringen", so Cooper.
Labour für zweites Brexit-Referendum
Später stellte sich die britische Labour-Partei geschlossen hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum. Das teilte die größte Oppositionspartei auf ihrer Webseite mit. Parteichef Jeremy Corbyn war zuletzt zunehmend unter Druck geraten, ein zweites Referendum zu unterstützen. In der vergangenen Woche verließen mehrere Abgeordnete, die eine neue Volksabstimmung befürworten, demonstrativ die Fraktion im Unterhaus.
Für die Regierung dürfte aber ein Entwurf zweier konservativer Abgeordneter attraktiver sein, den Brexit bis zum 23. Mai, dem Beginn der Europawahl, zu verschieben, sollte die Ratifizierung des Brexit-Vertrags am 12. März nicht zustandekommen. Ein Regierungsvertreter nannte den Vorschlag "hilfreich". Kürzlich hatten bereits drei Minister von May die Verschiebung des Austrittsdatums gefordert, sollte es in dieser Woche keinen Durchbruch geben. Die Abgeordneten könnten May nun am Mittwoch die Kontrolle über den Brexit-Prozess entreißen. Spekuliert wird daher, ob die Premierministerin den Rebellen zuvorkommt und selbst eine Verschiebung des Brexits ins Spiel bringt.
sti/AR (afp, ap, dpa, rtr)