Mauscheleien unter Mullahs
6. Februar 2004Ein persisches Sprichwort sagt: "Wenn du Geld hast, kannst du im Iran leben wie im Paradies." Denn mit Geld erkauft sich der besser gestellte Iraner ein bisschen Spaß. Iran steht im Korruptionsindex der unabhängigen Organisation Transparency International gemeinsam mit Mali und Armenien in der unteren Hälfte auf Platz 78 von insgesamt 133 Ländern. Katajun Amirpur, Halb-Iranerin, Journalistin und Islamwissenschaftlerin an der Universität Leiden, erklärt, dass Iraner sich mit Schmiergeldern einen Lebenstil leisten können, der eigentlich verboten ist.
"Wenn man zum Beispiel eine Hochzeit ausrichten möchte und in diesem Fall Männer und Frauen gemeinsam in einem Festsaal sitzen würden, Alkohol trinken und tanzen, dann geht man zu den Sittenwächtern und bezahlt sie, damit sie an dem Abend nicht aufkreuzen, " erzählt Amirpur.
Überleben mit den richtigen Kontakten
In vielen Fällen bringt auch das Schmieren nichts, da zählt die politische Gesinnung. Achtzig Prozent der iranischen Wirtschaftsbetriebe sind in staatlicher Hand. Wer einer antirevolutionären Haltung verdächtigt wird, bekommt keinen Arbeitsplatz in einem Staatsbetrieb. Oder keinen Studienplatz an den öffentlichen Universitäten.
Außerdem ist es ratsam, gute Kontakte zu den wichtigen Familienclans - etwa zur regimetreuen Familie von Ex-Präsident Rafsandschani- zu pflegen , die wichtige Schlüsselpositionen in der iranischen Wirtschaft besetzt. An ihr kommen auch ausländische Investoren nicht vorbei. Ein deutscher Wirtschaftsexperte, der nicht genannt werden möchte, gibt zu, dass sich deutsche Unternehmen mit Hilfe besonderer Zuwendungen einen besseren Zugang zum iranischen Markt verschaffen. Ähnliches zeigt der jüngste Skandal um die norwegische Ölgesellschaft Statoil: Sie soll den Sohn von Rafsanjani, der Direktor der iranischen Ölgesellschaft NIOC ist, bestochen haben, um sich Förderrechte an einem der weltweit größten Erdgasfelder im Iran zu sichern.
Übermächtige Stiftungen
Die unheilvolle Allianz von Regierung und Wirtschaft zeigt sich besonders deutlich bei den religiösen Stiftungen. Eine der größten ist Bonyad Mostazafan, die Stiftung der Armen und Waisen. Sie erbte nach der islamischen Revolution einen Großteil der Schah-eigenen Industriebetriebe. Experten schätzen, dass den Stiftungen heute sechzig Prozent der Wirtschaft außerhalb des Erdölsektors gehören. Als religiöse Einrichtungen unterstehen die Stiftungen direkt dem geistlichen Führer Ali Khamenei. Weder das Parlament, noch unabhängige Wirtschaftsprüfer dürfen in ihre Geschäfte einsehen.
Nach Einschätzung von Katajun Amirpur unterstützten die Stiftungen auch militante islamistischer Gruppen im In- und Ausland. Sie schrieben auch ein exorbitanten Kopfgeld für die Ermordung des Schriftstellers Salman Rushdies aus. "Sie sind einfach sehr, sehr mächtig und niemand kann genau überschauen, was ihre Aktivitäten sind. Es gibt keinerlei Rechenschaftspflicht."
Keine Aussicht auf Besserung
Immer wieder unternimmt der reformorientierte Präsident Muhammad Chatami Versuche, Licht ins korrupte Dunkel der öffentlichen Verwaltung zu bringen. Wenig erfolgreich, nicht zuletzt weil sein Anti-Korruptions-Kommittee aus Vertretern der öffentlichen Verwaltung und staatlichen Institutionen besteht. Die aber stehen zumeist dem konservativen Lager nahe. Dem mehrheitlich reformorientierten Parlament wiederum sind aufgrund der besonderen iranischen Verfassung die Hände gebunden. Eine Gesetzesinitiative zur Privatisierung der religiösen Stiftungen wurde vom Wächterrat abgeschmettert.
Auch die Wahl eines neuen Parlaments bietet wenig Aussicht auf mehr Transparenz in der staatlichen Finanzpolitik. "Auch im nächsten System wird sich nichts ändern," sagt Katajun Amirpur. Deshalb sei der Ausgang der Wahlen relativ irrelevant. Den Eindruck haben auch viele iranische Wähler. Die politische Resignation scheint am Vorabend der Parlamentswahlen so groß wie selten zuvor. Viele Iraner sind von Präsident Chatami enttäuscht. Bei den letzten Kommunalwahlen in Teheran sind 85 Prozent der Wahlberechtigten aus Protest nicht zur Wahl gegangen.