Mauretanien stimmt ab
25. Juni 2006Das Land ist durch politische und wirtschaftliche Instabilität geprägt. Vor fast einem Jahr, am 3. August 2005, war der Staatspräsident Maaouya Ould Sid' Ahmed Taya - selbst 1984 durch einen Putsch an die Macht gekommen - wiederum durch einen Putsch abgesetzt worden. Der Chef der Putschisten, Colonel Ely Ould Mohammed Vall, hatte vor knapp einem Jahr versprochen, innerhalb von zwei Jahren die Macht an Zivilisten zurückzugeben. Die Reform der Verfassung ist eine Etappe, die der Organisation von freien und demokratischen Wahlen vorangeht, hoffen Beobachter.
Es ist keine vollkommen neue Verfassung, sondern eine Reform der bereits bestehenden, über die die Menschen in Mauretanien abstimmen werden. Die wichtigsten Veränderungen betreffen die Dauer der Präsidentschaft, die auf zwei Mal fünf Jahre beschränkt werden soll. Der Präsident soll zudem künftig höchstens 75 Jahre alt sein. Eine Klausel würde es ihm untersagen, die Artikel bezüglich der Modalitäten eines demokratischen Wechsels zu ändern.
Zustimmung trotz Bedenken
Die Mehrheit der knapp 30 Parteien in Mauretanien befürwortet die Verfassungsreform. Trotzdem befürchten Kritiker, die Reform werde nicht alle Lücken und Unzulänglichkeiten im politischen System schließen können. Ob die Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten tatsächlich aufgelöst werden kann, stellt Messaoud Ould Boulkheir, der Präsident der linken Oppositionspartei "Fortschrittliche Volksallianz", in Frage. Seine Partei habe zwar dazu aufgerufen, für die neue Verfassung zu stimmen, aber man habe ernsthafte Bedenken, sagt Messaoud Ould Boulkheir: "Alles zu akzeptieren würde bedeuten, dass wir annehmen, eine Reduzierung der Dauer der Präsidentschaft reiche aus, um die Demokratie zu etablieren."
Eine andere Neuerung ist vor dem Hintergrund der vielen Staatsstreiche zu sehen, die Mauretanien erlebt hat. Die Militärjunta und die provisorische Regierung haben sich vor dem mauretanischen Volk und der internationalen Gemeinschaft dazu verpflichtet, nicht zu intrigieren, um einen politischen Posten zu erlangen. Außerdem dürften sie weder bei den nächsten Wahlen im kommenden November noch bei den Präsidentschaftswahlen im März 2007 kandidieren.
Unzureichender Minderheitenschutz
Ein weiterer Punkt, der Kritik hervorruft, ist die Frage der Minderheitenrechte. Drei Viertel der muslimischen Bevölkerung sind arabisch-berberisch - auch Mauren genannt, der Rest gehört schwarz-afrikanischen Ethnien an. Immer wieder kam es zu gewaltsamen Spannungen zwischen der maurischen Mehrheit und den Minderheiten. Die Minderheitenfrage spiegelt sich auch in den Sprachen des Landes wider: Die offizielle Landessprache ist arabisch. Aber auch die Stammessprachen Wolof, Pular und Soninke sind weit verbreitet, sie sind allerdings nicht offiziell anerkannt.
Mamadou Alassan, der Präsident der "Partei der Freiheit und der Gleichheit", einer Partei schwarzer Mauretanier, hat dazu aufgerufen, das Referendum zu boykottieren. Er ist nicht zufrieden mit dem Inhalt der Verfassung, weil Mauretanien schlecht definiert sei: "Wir meinen damit, dass Mauretanien aus Arabern, Pul, Soninke und Wolof besteht. Zweitens sind unsere Nationalsprachen nicht offiziell. Außerdem wollen wir über das Problem der Sklaverei sprechen."
Zehn Prozent von Sklaverei betroffen
Das Wort Sklaverei löst Unbehagen aus, denn laut "Anti-Slavery International" sind zehn Prozent der mauretanischen Bevölkerung von Sklaverei betroffen, und das trotz der offiziellen Abschaffung der Sklaverei 1980. Messaoud Ould Boulkheir von der "Fortschrittliche Volksallianz": "Das Gesetz, das vorsah, die Besitzer von Sklaven zu entschädigen, wurde nicht umgesetzt. Das hat die Sklaverei nicht sanktioniert. Die Besitzer sind mehr daran interessiert, ihre Sklaven zu zählen, in der Hoffnung, entschädigt zu werden." Seine Volksallianz habe verlangt, in die Verfassung einen Paragraphen aufzunehmen, der die Sklaverei verbiete.
Dennoch unterstützt die internationale Gemeinschaft immer offener die aktuellen Entwicklungen. Mauretanien sei dabei, ein Demokratie-Modell in Afrika und in der arabischen Welt zu werden, so die westlichen Vertreter im Land. Die EU hat mittlerweile die Kooperation mit Mauretanien wieder aufgenommen. Beobachter glauben, dass der mehr als unvollständige Demokratisierungsprozess trotz allem viel versprechend sei, denn der politische Wechsel im Land war bis jetzt immer von Kanonenschüssen begleitet worden.