Matthias Platzeck: Der "Macher" aus Potsdam
2. November 2005
Bisher waren alle Schritte in Matthias Platzecks politischer Karriere sorgfältig vorbereitet und geplant, jetzt musste er zum ersten Mal mehr oder minder spontan einspringen. "Ich habe mich vor Verantwortung noch nie gedrückt", sagte er.
Stille, steile Karriere
Bundesweit als "Deichgraf" bekannt wurde Matthias Platzeck durch seinen Einsatz beim verheerenden Oderhochwasser im Sommer 1997. Damals war er Umweltminister in Brandenburg. Er verließ 1998 das Kabinett und wurde Oberbürgermeister in der Landeshauptstadt Potsdam. Zwei Jahre später übernahm er den Landesvorsitz der Brandenburger SPD, bevor er schließlich 2002 die Nachfolge von Stolpe als Regierungschef antrat. In diesem Amt musste er zwar manchen Rückschlag hinnehmen - wie etwa das Scheitern von Großprojekten wie dem Lausitzring oder der Chipfabrik in Frankfurt/Oder. Doch dem beim Oderhochwasser erworbenen "Macher"-Image hat das kaum Abbruch getan.
Erfahren mit großen Koalitionen
Für die Koalitionsverhandlungen mit der CDU bedeutet ein Parteichef Platzeck Kontinuität: Seit drei Jahren führt er die große Koalition in Brandenburg, die sein Amtsvorgänger Manfred Stolpe (SPD) geschmiedet hatte. Platzeck setzte die SPD/CDU-Koalition auch nach der Landtagswahl 2004 fort - obwohl auch ein Bündnis mit der PDS möglich gewesen wäre. Mit 31,9 Prozent machte er die SPD trotz allen Frustes über die Hartz-IV-Gesetze erneut zur stärksten Kraft im Lande - und bescherte den Sozialdemokraten damit einen der wenigen Erfolge in einer Dauerserie von Wahlniederlagen.
Ein Ministeramt auf Bundesebene hat er jedoch regelmäßig abgelehnt: Erst vor zwei Wochen schlug er das Angebot aus, Außenminister und Vizekanzler zu werden. Auch 1998 und 2002 lehnte er ab, als ihm Ministerposten in der Bundesregierung angeboten wurden. Sein Platz sei in Brandenburg, lautete stets die Begründung.
Kein "Flügel"-Mann
Inhaltlich zählt Platzeck, der seine politische Laufbahn im Herbst 1989 zunächst bei der Grünen Liga begann, zu keinem der traditionellen SPD-Parteiflügel. Er verteidigt vehement die Arbeitsmarktreformen von Noch-Bundeskanzler Gerhard Schröder, tritt aber auch für starke Gewerkschaften und gegen Einschnitte beim Kündigungsschutz ein. Geschickt fuhr er dabei eine Doppelstrategie: Er stellte sich hinter Hartz IV, teilte aber immer wieder Seitenhiebe gegen die rot-grüne Bundesregierung aus.
Wie in Brandenburg seit Jahren erfolgreich praktiziert, hält Platzeck auch auf Bundesebene eine Zusammenarbeit von CDU und SPD für sinnvoll. "In der Situation des Wandels, in der sich Deutschland gerade befindet, kann ein solches Bündnis der großen Parteien segensreich sein", erklärte er nach der Bundestagswahl.
"Die SPD kann nur erfolgreich sein als Partei der linken Mitte", umreißt er seine programmatischen Vorstellungen. Zugleich fordert er immer wieder eine "offensive und grundsätzliche Auseinandersetzung" mit der Linkspartei.PDS. Gerade Platzecks Konflikt- und Durchsetzungsfähigkeit hatten Kritiker in der Vergangenheit immer wieder bezweifelt. Sie sind allerdings verstummt, seit der Brandenburger mit der fehlgeschlagenen milliardenteuren Förderpolitik unter Manfred Stolpe abrechnete und einige Urgesteine der Brandenburger SPD abservierte.
Staatskritisch engagiert zu DDR-Zeiten
Der geschiedene Vater von drei Kindern wurde am 29. Dezember 1953 in Potsdam geboren. Von Beruf ist er Ingenieur für biomedizinische Kybernetik. Zu DDR-Zeiten stand er stets in Opposition zur Staatsmacht: Er engagierte sich zum Beispiel in einer staatskritischen Bürgerinitiative, die kunsthistorisch wertvolle Gebäude in Potsdam vor dem Verfall retten wollte.
Nach der Wende wurde Platzeck 1990 zunächst Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett des letzten DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow. Er gehörte kurzzeitig der letzten DDR-Volkskammer und dem ersten gesamtdeutschen Bundestag an, bevor er Ende 1990 in den Brandenburger Landtag wechselte. Er wurde Umweltminister unter Stolpe, und als die Ampelkoalition 1994 platzte, blieb Platzeck zunächst als parteiloser Minister im Amt. Erst 1995 trat er der SPD bei. (arn)