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Materialmangel bremst deutsche Produktion

8. Juli 2021

Auf Deutschlands Baustellen verschärft sich der Materialmangel immer mehr. Auch in der Industrie macht sich das Ausbleiben von Vorprodukten bemerkbar: Die Produktion sank laut Ifo-Institut im Mai spürbar.

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Deutschland Baustelle Griechische Schule in München
Bild: Imago Images/H. R. Schulz

Deutschlands Bauunternehmen leiden immer stärker unter Materialmangel und steigenden Einkaufspreisen: In Umfragen des Ifo-Instituts in München berichteten 95,2 Prozent der Befragten im Juni von steigenden Einkaufspreisen in den vorangegangen drei Monaten. "Die Probleme sind vielfältig und haben sich gegenüber dem Vormonat nochmals verschärft", erklärte Felix Leiss vom Ifo-Institut am Donnerstag.

Im Hochbau meldeten demnach 50,4 Prozent der Betriebe Beeinträchtigungen durch Lieferverzögerungen. Im Mai waren es 43,9 Prozent gewesen und im April 23,9 Prozent. Im Tiefbau berichteten im Juni 40,5 Prozent der Befragten von Problemen bei der Beschaffung.

"Die Versorgung mit Schnittholz ist immer noch ein großes Thema auf den deutschen Baustellen. Aber auch erdölbasierte Baustoffe sind knapp", erklärte Leiss. "So fehlt es vielerorts an synthetischen Dämmmaterialien, Kanalgrundrohren und anderen Kunststoffteilen." Dazu kämen die Lieferprobleme und Preissteigerungen beim Stahl.

Es geht nicht mehr voran

Engpässe bei Vorprodukten haben die Produktion in Deutschland überraschend auch im Mai gebremst. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 0,3 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch mitteilte. Dies war bereits der vierte Rückgang in diesem Jahr.

"Die Industrie tritt auf der Stelle", sagte LBBW-Volkswirt Jens-Oliver Niklasch. Dies sei aber wegen der Lieferengpässe kein Beinbruch. Andere Experten warnen, Folgeeffekte des anhaltenden Materialmangels könnten die Konjunktur belasten.

Hauptbremser: Die Autobauer

Das Ministerium begründete den Rückgang vor allem mit weiteren Versorgungsengpässenbei Halbleitern im Autosektor. Der Branchenverband VDA senkte wegen der Produktionsprobleme durch den Chip-Mangel seine Prognose für den Pkw-Absatz in Deutschland. Man rechne nur noch mit drei Prozent Wachstum auf drei Millionen Fahrzeuge, sagte VDA-Chefin Hildegard Müller.

VDA-Chefin Hildegard Müller
VDA-Präsidentin Müller ist alarmiert: Für 2021 erwartet sie nur noch ein Absatzplus von drei Prozent - statt wie zuvor achtBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Zuvor hatte die Branche plus acht Prozent angepeilt. "Der Ausblick für die Industriekonjunktur insgesamt bleibt aber positiv", erklärte das Wirtschaftsministerium. Denn die Nachfrage sei hoch und das Geschäftsklima habe sich verbessert.

Fachleute sorgen sich aber um Auswirkungen des Materialmangels. "Können Waren nicht geliefert werden, verzichtet so manches Unternehmen auf eine Bestellung", sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Aber auch wegen der Lieferengpässe gestiegene Preise dürften die Bestellungen schmälern. "Weniger Aufträge bedeutet weniger Produktion in Zukunft", warnte Gitzel. "Aus diesem Blickwinkel wird der Mangel für die Konjunkturentwicklung zu einer ernstzunehmenden Gefahr."

Der Export steht noch darüber

Die weltweite Erholung der Konjunktur schiebt derweil die deutsche Exportwirtschaft weiter an. Im Mai 2021 wurden Waren Made in Germany im Wert von 109,4 Milliarden Euro ins Ausland geliefert, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Das waren 36,4 Prozent mehr als im schwachen Vorjahresmonat, als der Außenhandel infolge von Grenzschließungen und Beschränkungen zur Bekämpfung der ersten Welle der Corona-Pandemie eingebrochen war.

Von April auf Mai 2021 stiegen die Ausfuhren um 0,3 Prozent. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres zusammen liegen die Exporte nach Angaben der Wiesbadener Behörde mit einem Volumen von 554,1 Milliarden Euro um 15,3 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums. Für das Gesamtjahr rechnet der Außenhandelsverband BGA mit einem deutlichen Plus trotzt Materialmangel und knapper Rohstoffe.

Für Ökonom Thomas Gitzel ist das kein Wunder: "Die Unternehmen schaffen es, genügend Waren in den Versand zu geben. Das ist sehr erfreulich. Immerhin liegen damit die Exporte dreizehnmal in Folge im jeweiligen Monatsvergleich im Plus. Was für eine Serie!"

Verbraucher müssen mit steigenden Preisen rechnen

 Aufgrund weltweiter Engpässe im Frachtverkehr rechnen Händler in Deutschland mit Lieferengpässen und Preiserhöhungen. "Wir haben große Schwierigkeiten, Frachtkapazitäten für unsere Bestellungen auf den Schiffen zu bekommen", sagte der Chef des Textildiscounters Kik, Patrick Zahn, dem Handelsblatt am Donnerstag. "In der wichtigsten Zeit des Jahres fehlt uns die Ware". Auch die Preise für den Transport von Fracht stiegen demnach an.

"Preiserhöhungen im Handel werden da nicht zu vermeiden sein", sagte Zahn weiter. Sein Unternehmen importiert einen Großteil seines Sortiments aus Asien. Die Lieferschwierigkeiten und erhöhten Preise seien "ein Angriff auf unser Geschäftsmodell". Auch der Chef der Drogeriekette Rossmann sieht deutliche Auswirkungen des weltweiten Frachtstaus auf den deutschen Handel. "Es wird immer schwieriger, die Waren aus Asien pünktlich in die Läden zu bekommen", sagte Raoul Roßmann. "Der starke Anstieg bei den Frachtkosten wird auf jeden Fall zu Preiserhöhungen im Handel führen". 

Auch der Geschäftsführer des Fahrradhändlers Rose Bikes, Marcus Diekmann, rechnete mit Auswirkungen auch auf das Weihnachtsgeschäft. Er rechne mit einer "Mega-Preissteigerung".
     
dk/hb (dpa, afp, rtr)