1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Die frühe Lese ist nicht optimal"

Dagmar Breitenbach
6. August 2018

Diese Woche beginnt die Traubenlese in Deutschland, so früh wie nie zuvor. Haben Winzer von der Dürre profitiert? Man kann erst von einem großen Jahrgang sprechen, wenn die Lese im Keller ist, meint Romana Echensperger.

https://p.dw.com/p/2lEij
Romana Echensperger hält ein Glas Weißwein in der Hand und steht vor Weinfässern
Romana EchenspergerBild: privat

DW: Frau Echensperger, was bedeutet die anhaltende  Gluthitze in Deutschland für die Weinernte? Wird 2018 ein supertoller Jahrgang?

Romana Echensperger: Das ist immer so eine Sache. Man kann erst von einem  großen Jahrgang sprechen, wenn die Lese im Keller ist. Sollte es jetzt noch Unwetter mit Starkregen geben, dann ist der Erfolg dahin. Hitze und starke Sonne sind eine Herausforderung im Weinberg. So kann es zum Beispiel Trockenstress geben, was die physiologische Reife beeinträchtigt. Dann haben die Trauben zwar viel Zuckergehalt aber wenig Geschmack und harsche Tannine.

Die frühe Lese ist ebenfalls nicht optimal. Denn bei hohen Temperaturen fängt Most oder Maische sofort zum vergären an und gärt schnell durch. Das gibt wenig feine Aromen - man muss also aufwendig kühlen. Das sind nur zwei Beispiele. Um es zusammenzufassen - die Winzer müssen sich mit Weinbau und Kellertechnik auf die Hitze und Trockenheit einstellen - dann klappt es mit dem Jahrgang. 

Sie haben lange als Chef-Sommeliere in der Spitzengastronomie gearbeitet und tragen seit 2015 als eine von wenigen Frauen in Deutschland den Titel "Master of Wine" ­- auf der ganzen Welt gibt es nur 369 Weinexperten mit dieser Auszeichnung. Inwiefern sind Essen und Wein ein perfektes Paar?

Romana Echensperger: Wein gehört einfach zum Essen dazu, weil er den Geschmack bereichert. Essen hat wiederum einen großen Einfluss darauf, wie wir Wein schmecken. Der passende Wein zum Essen ist ein unglaublicher Genuss, das hat schon immer zusammen gehört, dieses Tafeln! Es erfüllt auch den sozialen Aspekt: Wein bringt die Leute zusammen, nach einem Glas Wein ist man lockerer, kommt besser ins Gespräch und es entstehen tolle Abende an denen man sich austauscht. Wein ist wie Kunst oder Musik - man braucht ihn nicht zum Überleben, aber er ist ein genuiner Ausdruck menschlicher Kultur.

Weinexpertin Romana Echensperger
Weinexpertin Romana Echensperger in ihrem Element Bild: privat

Was gibt's 2018 Neues auf Deutschlands Weinbergen?

Rosé liegt für mich in diesem Jahr im Trend. Rosé wurde früher oft stiefmütterlich behandelt. Entweder wurde er aus Trauben gemacht, die für die Rotweinbereitung nichts taugten, oder es war ein Zufallsprodukt, das eben bei der Rotweinbereitung anfiel. Auch hier wollen die Verbraucher tolle Weine trinken. Die Qualitäten und Weinstile werden besser und vielfältiger. Das macht richtig Spaß. 

Hat sich der deutsche Geschmack bezüglich Wein im Laufe der Zeit verändert?

Weinvorlieben unterliegen ständigen Moden. In den 70er und 80er Jahren war süßer Wein angesagt - bis zum Glykolskandal Mitte der 80er. Danach war süßer Wein verpönt, es wurde total trocken getrunken, fast schon schmerzhaft trocken. Heute geht man wieder einen Schritt zurück: Wein darf auch ein paar Gramm Restzucker enthalten, es darf ein bisschen geschmeidiger und eingängiger sein.

Deutschland Weinberg vom Weingut Klosterhof Töplitz
Rosewein liegt im Trend Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Anfang der 2000er Jahre gab es diese 'fetten' Weine, da hat man Qualität mit Konzentration gleichgesetzt, bei Chardonnay zum Beispiel. Heute geht es eher in Richtung Leichtigkeit, Frische, weniger Alkohol, mehr Finesse - auch weil man heute viel leichter kocht, mit mehr Gemüse, mehr Salat und weniger Braten, eher Kurzgebratenes und Fisch. Dazu muss der Wein dann auch passen.

Kann deutscher Wein im internationalen Vergleich mithalten?

Und wie! Ich bin viel für das Deutsche Weininstitut unterwegs, viel in Asien - und da setzt man Deutschland gleich mit Miele, Mercedes Benz und Riesling.

Deutscher Riesling und deutscher Spätburgunder sind heute in der weltweiten Spitze angekommen. Sogar in Frankreich werden wir auf unsere Rieslinge angesprochen. Und wenn das schon ein Franzose sagt, kann man das im Kalender rot markieren.

Wie unterscheiden sich Weinvorlieben weltweit?

In Amerika zum Beispiel sind Weine aus dem Discountbereich deutlich süßer. Das hängt auch wieder mit Speisen zusammen. Ich will nicht die Klischees bedienen, aber es ist schon so, dass man in den USA viel süßer isst als in Deutschland. Anderes Beispiel: In Norwegen ist deutscher Wein der meistkonsumierte, die Norweger lieben Säure. Der Weinjahrgang 2010 in Deutschland war so säurereich, den hätte man in den USA oder auch Belgien nicht verkaufen können. Aber in Norwegen ging der weg wie warme Semmeln.

Süßen Wein hingegen trinken oft Menschen, die nicht so häufig Wein trinken. Wir sehen das in Asien, dort wird jetzt Wein getrunken, und zwar süßer Wein, weil das einfach ein "infantiler" Geschmack ist, dazu finden die Leute sofort einen Zugang. Der Einstieg ist immer mit etwas Süßerem. Der Durchschnittsverbrauch in Asien ist ca, 1.2 Liter, während wir hier in Deutschland 24 Liter trinken.

Bei Konsumenten, die häufiger Wein trinken, entwickelt sich der Geschmack weiter, sie landen beim trockenen Wein. Frauen wird nachgesagt, dass sie lieblichere Weine mögen. Aber statistisch gesehen ist es so, dass zwar mehr Frauen Wein trinken als Männer, aber eben nicht so oft. Sie verharren dann eher in einem süßlicheren Bereich.

Unterschiede gehen aber auch über den Wein hinaus: Japaner zum Beispiel mögen keine Schraubverschlüsse, ganz im Gegensatz zu Großbritannien.

Mehrere Weinflaschen stehen hinter Gittern. (Foto: picture-alliance/dpa/A. Arnold)
Hinter Schloss und Riegel: Besonders wertvolle Weine wie Grand Cru und Co sind auch als Geldanlage beliebtBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Immer mehr Menschen ernähren sich vegan. Auch die Winzer reagieren darauf. Veganer Wein… ist Wein nicht sowieso schon vegan?

Die "vegane Welle" ist schon wieder etwas abgeflaut. Winzer haben das gern aufs Etikett geschrieben weil es die Nachfrage gab, aber es wurden keine Weine explizit dafür hergestellt. Man kann tierische Hilfsmittel verwenden, um bestimmte Klärungsprozesse vor der Abfüllung zu beschleunigen, zum Beispiel Hühnereiweiß. Aber ja, die meisten Weine sind natürlich sowieso vegan.

Kooperieren Winzer aus verschiedenen Ländern eigentlich?

Ja, es gibt sehr viel Austausch. Junge Winzer machen mindestens ein Praktikum in einem klassischen Weinland wie Frankreich oder Italien und dann noch in Übersee, in Australien, Neuseeland oder Südafrika zum Beispiel. Man lernt viel voneinander.

Woher kommt Ihre persönliche Faszination für Wein?

Ich habe eine Restaurantfachlehre im Hotel Königshof in München gemacht. Dort war ein toller französischer Sommelier, der mich immer hat mit verkosten lassen - und es wurden großartige Weine verkostet! Da war immer dieses Flimmern in der Luft, wenn es um Wein ging, eine große Begeisterung. Da war ich 21 und es hat mich gepackt!

Romana Echensperger, Master of Wine, Dozentin am International Wine Institute in Bad Neuenahr, von 2001-2010 Chef Sommeliere in der Spitzengastronomie, ist eine vielgefragte deutsche Weinfachfrau und Weinjournalistin. 2017 veröffentlichte sie ein Weinbuch für Frauen: "Von wegen leicht und lieblich - Das Ultimative Weinbuch nur für Frauen".

Das Gespräch führte Dagmar Breitenbach.