Massiver Schwund der Tierbestände
10. September 2020Der Niedergang vieler Tierbestände weltweit setzt sich laut einer Untersuchung der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London seit Jahrzehnten unvermindert fort. Untersucht wird im Bericht nicht das Aussterben von Arten. Aber auch schwindende Bestände sind nicht harmlos in Ökosystemen, wo verschiedene Arten in Wechselbeziehungen stehen.
In den "Living Planet Report 2020" einbezogen wurden rund 21.000 Bestände von mehr als 4400 bedrohten und nicht bedrohten Wirbeltierarten: Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien und Amphibien. Im Durchschnitt schrumpften diese Populationen zwischen 1970 und 2016 um 68 Prozent. Dies ist eine weitere Verschlechterung. Bei dem Bericht von vor zwei Jahren lag der Rückgang der beobachteten Populationen im Schnitt noch bei 60 Prozent.
Das sei nur ein kleiner Ausschnitt der biologischen Vielfalt, erläuterte der Vorstand für Naturschutz des WWF Deutschland, Christoph Heinrich. Angenommen wurde die Existenz von 10 bis 20 Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit. Davon werden aber nicht alle konsequent überwacht. Wie es um Insekten steht, wird in diesen Bericht bisher nicht einberechnet.
Der Mensch ist Schuld
Gründe für den Schwund sind in der Regel menschengemacht. Am schwersten wiegt die Veränderung der Landschaft, durch die ein Lebensraum zerstört wird, wie beim Abholzen des Regenwalds. Der zweitwichtigste Faktor ist die Überbeanspruchung der Bestände durch Jagd. Auch invasive Arten, eingeschleppte Krankheiten und Umweltverschmutzung führen zu dem Rückgang. Der Klimawandel ist, bis auf die Region Süd- und Mittelamerika, eher ein untergeordneter Faktor - bisher.
Als besonders gefährdete Tiere nennt der WWF den Östlichen Flachlandgorilla im Kongo, Lederschildkröten in Costa Rica und Störe im Jangtse, dem längsten Fluss Chinas. Der Rückgang dieser großen Wanderfische liege bei 97 Prozent seit 1970. In Deutschland sind demnach Rebhuhn und Kiebitz von deutlichen Bestandsrückgängen betroffen. Hintergrund sei die landwirtschaftliche Nutzung in der Bundesrepublik. Positiv entwickelt hätten sich Bestände großer Vogelarten in Deutschland wie die des Seeadlers. Dank gezielter Schutzmaßnahmen hätten sie sich erholt.
Je nach Weltregion schrumpfen die Tierbestände unterschiedlich stark. In Süd- und Mittelamerika liegt der Wert bei 94 Prozent. Auf den ersten Blick stehen die Regionen Europa und Nordasien im Vergleich gut da mit durchschnittlich 24 Prozent Schrumpfung. Doch der Schein trügt. Die stärksten Eingriffe in die Landschaft seien hier vor 1970 und damit vor Beginn des Untersuchungszeitraums geschehen, erklärte Heinrich.
ust/rb (dpa, afp, WWF)