Mali kommt nicht zur Ruhe
12. Juli 2020Das Gericht steht im Zentrum einer heftigen Kontroverse, seit es die vorläufigen Ergebnisse einer lange verschobenen Parlamentswahl im März bei etwa 30 Mandaten aufgehoben hatte. Der Schritt verhalf auch mehreren Mitgliedern von Keitas Partei ins neue Parlament. Die Wahl selbst hatte Keitas Partei gewonnen. Die Entscheidung des Gerichts löste Proteste in mehreren Städten aus. Die angekündigte Neubesetzung des Verfassungsgerichtshofs gilt als Zugeständnis an die aufgebrachte Opposition.
Im Staatsfernsehen erklärte Präsident Ibrahim Boubacar Keita, er habe die Zulassungen aller verbliebenen Mitglieder des Verfassungsgerichts aufgehoben, so dass ab nächster Woche neue Richter ernannt werden könnten. "Der reformierte Gerichtshof kann uns schnell helfen, Lösungen für die Streitigkeiten zu finden, die durch die Parlamentswahlen entstanden sind", sagte Keita.
Vier Todesopfer
Am Freitag waren tausende Demonstranten in der Hauptstadt Bamako auf die Straße gegangen, um Keitas Rücktritt zu fordern. Demonstranten griffen das Parlamentsgebäude an, stürmten den Sitz des staatlichen TV-Senders ORTM und beschädigten dort mehrere Büros. Bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften wurden nach Angaben von Regierungschef Boubou Cissé mindestens vier Menschen getötet und 74 verletzt. Cissé sagte beim Besuch in einem Krankenhaus, der Präsident und er blieben "offen für den Dialog".
Am Samstag errichteten Regierungsgegner auf den Straßen in Bamako Barrikaden und lieferten sich Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, die Tränengas einsetzten. Sechs führende Vertreter der Oppositionsbewegung "5. Juni" seien seit Freitag in Gewahrsam genommen worden, teilte die Gruppe am Samstag mit. Zudem hätten Polizisten das Hauptquartier der Bewegung durchsucht. Eine Bestätigung von offizieller Seite liegt für die Festnahmen nicht vor.
Grassierende Unzufriedenheit
Die Bewegung des 5. Juni setzt sich aus religiösen und zivilgesellschaftlichen Gruppen zusammen. An ihrer Spitze steht der Imam Mahmud Dicko, der als islamischer Hardliner gilt. Die Demonstranten eint die Unzufriedenheit über schleppende Reformen und die anhaltende Gewalt in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land.
Der 75-jährige Präsident Keita geriet zuletzt zunehmend un ter Druck, weil es ihm nicht gelungen ist, einen seit 2012 andauernden dschihadistischen Aufstand im Norden des Landes unter Kontrolle zu bringen, der sich inzwischen auch ins Zentrum des Landes ausgedehnt hat. In Mali sowie anderen Ländern der Sahelzone sind etliche bewaffnete Gruppen aktiv, einige haben den Terrorgruppen "Islamischer Staat" (IS) oder Al-Kaida die Treue geschworen. In dem Konflikt in Mail wurden Tausende Soldaten und Zivilisten getötet, hunderttausende Menschen sind geflohen. Verschleppte politische Reformen, eine schwächelnde Wirtschaft und weit verbreitete Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung haben die Stimmung gegenüber Keita weiter verschlechtert.
Deutsche Ausbildungsmission auf Eis gelegt
Die Bundeswehr hat in Mali bis zu 1100 Soldaten als Teil der UN-geführten Mission MINUSMA stationiert.Diese soll einen Beitrag zur Stabilisierung des westafrikanischen Krisenstaats leisten. Zudem sind bis zu 450 deutsche Soldaten an der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali beteiligt. Wegen der Coronavirus-Pandemie ruht EUTM Mali aber praktisch.
kle/AR (afp, dpa, rtre, ape)