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Der Kampf geht weiter

Anne Allmeling28. Januar 2013

Zwei Jahre nach dem Sturz von Hosni Mubarak protestieren Tausende Ägypter gegen seinen Nachfolger. Sie fühlen sich um die Revolution betrogen - und fordern eine Regierung der Nationalen Einheit.

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Ausschreitungen in Ägypten (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Wütende Demonstranten, bewaffnete Polizisten, Kämpfe auf offener Straße: Die Fernsehbilder rufen Erinnerungen an den Februar 2011 wach. Damals forderten Tausende Ägypter den Sturz des Regimes - und ließen nicht locker, bis Hosni Mubarak seinen Platz geräumt hatte. Jetzt scheinen sich manche Szenen zu wiederholen. Doch dieses Mal steht nicht Mubarak, sondern Mohammed Mursi an der Spitze des Staates. Und der hält an seiner Macht fest.

Ausnahmezustand in drei Städten

Als Reaktion auf tödliche Krawalle hat Mursi über drei Städte am Suezkanal den Ausnahmezustand verhängt. Um die Ruhe im Land wiederherzustellen, kündigte er am Montag (28.01.2013) an, künftig auch verstärkt das Militär einsetzen zu wollen. Bis zur anstehenden Parlamentswahl soll die Armee auch Polizeiaufgaben übernehmen. Eine Entwicklung, die seine Gegner mit großer Sorge beobachten. Zu sehr erinnern sie diese Maßnahmen an die Willkürherrschaft von Hosni Mubarak - und deshalb gehen sie auf die Straße.

Mursis Gegner eint vor allem eins: der Wunsch nach einem Staat, der eine gewisse Distanz zur Religion wahrt. "Die Oppositionellen wollen nicht, dass Staat und Gesellschaft vom Islam, so wie er von den Islamisten verstanden wird, dominiert werden", sagt Gundrun Krämer, Professorin für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin. "Das bedeutet aber nicht, dass sie Säkularisten oder nicht-gläubige Muslime wären."

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi (Foto: Reuters)
Ägyptens Präsident Mursi hat zahlreiche GegnerBild: Reuters

Große Erwartungen an die Politiker

Unter den Gegnern Mursis macht Krämer zwei Hauptströmungen aus. Dazu gehört eine Gruppe um den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Hamdin Sabahy, die einen islamistischen Staat ablehnt, eine gewisse Trennung von Religion und Staat befürwortet und eine Politik der staatlichen Wohlfahrt verlangt. Eine zweite Gruppe Oppositioneller lehnt ebenfalls eine weitere Islamisierung der Gesellschaft ab, fordert aber auch die Lösung der wirtschaftlichen Probleme und verlangt nach Mitsprache und Partizipation.

"Viele Ägypter sind sehr engagiert", sagt Elizabeth Iskander, Ägypten-Expertin am GIGA Institut für Nahost-Studien in Hamburg. "Das heißt aber auch, dass sie viel von ihren Politikern erwarten. Sie wollen gehört werden. Mursi hat eine schwierige Aufgabe zu meistern, und egal, was er macht: Ich glaube nicht, dass die Mehrheit ihn je erfolgreich nennen wird."

Unzufriedenheit mit dem Präsidenten

Zwar kann sich Mursi auf die Muslimbruderschaft stützen, deren Mitglied er lange war und die nicht nur bei den Präsidentschaftswahlen, sondern auch bei den Parlamentswahlen die meisten Stimmen bekommen hat. Doch auch innerhalb der Muslimbruderschaft gibt es unterschiedliche Strömungen, die nicht alle mit der Regierungspolitik des Präsidenten einverstanden sind - oder mehr von ihm erwarten.

Das gilt umso mehr für die Opposition. "Diejenigen, die sich selber als die ursprünglichen Träger der revolutionären Bewegung betrachten, fühlen sich verraten", sagt Gudrun Krämer. "Sie glauben sich an den Rand gedrängt, und das sind sie auch: Numerisch sind sie die Minderheit der ägyptischen Bevölkerung. Sie wollen die Revolution fortführen, um die Mehrheitsmeinung vielleicht doch noch auf ihre Seite zu bringen und dem Kurs eine neue Richtung zu geben, der weniger islamistisch ist."

Ägyptischer Panzer und Soldaten sichern einen Platz (Foto: DAPD)
Die ägyptische Armee soll künftig mehr Befugnisse habenBild: dapd

Absage an den Dialog

Auch deshalb lehnt die Opposition ein Angebot Mursis zum Dialog ab. "Bevor der Präsident die Verantwortung für das jüngste Blutvergießen übernimmt und verspricht, eine Regierung der Nationalen Rettung und ein unabhängiges Gremium zur Änderung der Verfassung zu bilden, ist jeder Dialog reine Zeitverschwendung", erklärte der Friedensnobelpreisträger Mohammed El-Baradei über den Kurznachrichtendienst Twitter. Er gehört zu den wichtigsten Oppositionspolitikern in Ägypten.

"Viele derer, die jetzt Politik machen - sei es in der Regierung, sei es in der Opposition - sind nicht pragmatisch veranlagt, sondern kämpfen um die Macht", sagt Gudrun Krämer. Die größten Differenzen zwischen Regierung und Opposition sieht Krämer in der Bewertung der Religion in Kultur und Gesellschaft. In vielen Punkten der Wirtschafts- und Außenpolitik, aber auch in bestimmten Bereichen der Sozialpolitik würden die beiden Lager allerdings übereinstimmen.

Wenig pragmatische Persönlichkeiten

"Würden wir auf allen Seiten pragmatisch denkende und handelnde Persönlichkeiten vor uns sehen, wäre es durchaus möglich, zu einer Regierung der Nationalen Einheit zu kommen und in bestimmten Punkten zusammen zu arbeiten", meint Krämer. Dafür müsste es Mursi aber erst einmal gelingen, die aktuelle Situation zu entschärfen und die Lage im Land zu stabilisieren. Die Verhängung des Ausnahmezustands in mehreren Städten und die Ausweitung der Kompetenzen für das Militär scheinen vorerst das Gegenteil bewirkt zu haben.