Massenprotest gegen CETA
31. August 2016Roman Huber ist noch voller Emotionen. Gerade hat der Bundesgeschäftsführer des Vereins "Mehr Demokratie" beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerde gegen das Freihandelsabkommens CETA eingereicht. Vor allem stört Huber die im Vertrag vorgesehene Einrichtung von Investorengerichten. "Ich verstehe überhaupt nicht, warum man eine eigene Gerichtsbarkeit einrichtet. In der Europäischen Union und in Kanada leben wir in Rechtsstaaten", so Huber gegenüber der DW.
Die größte Problematik sieht er gar nicht bei kanadischen Unternehmen: "Durch diesen Vertrag können 40.000 US-Konzerne durch ihre kanadischen Niederlassungen gegenüber der Europäischen Union, allen Mitgliedsstaaten bis hinunter zum kleinen Bürgermeister Klagen erheben." Laut Huber wären damit Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe Tür und Tor geöffnet: "Das ist für mich ein Unding."
Breites Bündnis an Gegnern
Es ist bereits die fünfte Verfassungsbeschwerde gegen CETA und es ist die mit Abstand umfassendste Beschwerde gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Neben dem Verein "Mehr Demokratie" haben sich auch andere Organisatoren wie "Campact" und "foodwatch" dem Protest angeschlossen. In den vergangenen Wochen haben sie 125.000 Vollmachten von Bürgern gesammelt. Verteilt auf 70 Kartons haben die Initiatoren der Bewegung "Nein zu CETA" diese Vollmachten nach Karlsruhe gefahren.
Autor der Klage ist der Kölner Professor Bernhard Kempen. Neben den umstrittenen Investorengerichten sieht er vor allem Probleme, wenn das sogenannte Vorsorgeprinzip nicht beachtet wird. Durch das Vorsorgeprinzip sollen europaweit Belastungen oder Schäden für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit im Voraus vermieden oder weitgehend verringert werden. Maßnahmen dazu sollen auch ergriffen werden können, wenn für bestimmte Problemstoffe noch keine breite wissenschaftliche Basis vorhanden ist. Durch CETA wäre dieses Sicherheits-Prinzip ausgehebelt.
Kempens Hauptkritik liegt allerdings darin, dass CETA auch schon ohne Zustimmung der nationalen Parlamente "vorläufig angewendet" wird. So könnten theoretisch über Jahre hinweg Fakten geschaffen werden. Voraussetzung für die vorläufige Anwendung wäre lediglich die Zustimmung des Europäischen Rates.
Erfolg für Klage möglich
In Karlsruhe ist es Roman Huber wichtig zu betonen, dass er keinesfalls gegen Globalisierung oder freien Handel im Allgemeinen sei: "Wir wollen einfach, dass man die Rechte aller Bürger beachtet." Seit über zwanzig Jahren engagiert sich Huber im zivilgesellschaftlichen Bereich. In der deutlichen Zustimmung seiner Gegenwehr erkennt er einen Trend: "Das ist ein Zeichen der breiten Unzufriedenheit, den es in der Bevölkerung gibt. Das war ja keine Online-Petition, wo sie einfach nur draufklicken müssen." Für ihn sagen die Zahlen schon alles: "125.000 Menschen, die die Klage unterstützen, das ist schon ein beachtliches Zeichen".
Allein: Die Anzahl der Kläger wird nicht dafür sorgen, die Richter des Verfassungsgerichtes zu beeindrucken. Dass die Klage dennoch erfolgreich sein könnte, könnte einen anderen Grund haben. Das zentrale Steuerungsorgan von CETA ist der sogenannte "Gemischte Ausschuss". Das Gremium ist auch befugt, das Abkommen weiterzuentwickeln. Das Problem: In dem Ausschuss sitzen keine Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten. Laut dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon müsste jedoch genau dies gewährleistet sein. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wären die Karlsruher Richter konsequent, müssten sie der Bundesregierung untersagen, dem CETA-Abkommen am 18. Oktober im Europäischen Rat zuzustimmen.