Marlene Dietrich starb vor 25 Jahren
6. Mai 2017Sie sei zu Tode fotografiert worden, hat Marlene Dietrich einmal gesagt, da war sie schon älter und hatte sich weitgehend zurückgezogen aus dem Film- und Showgeschäft. Mag sein, dass auch genug über die Dietrich geschrieben worden ist, Biografien und Fachbücher, Filmanalysen und Interpretationen jeglicher Art. Und sie selbst hat ja auch einiges beigesteuert, Memoiren und Reflexionen über ihr Leben und die Karriere.
Dass jetzt dann doch wieder eine dickleibige Biografie erschienen ist, verfasst von Eva Gesine Baur, vom Verlag zum 25. Todestag des Stars am 6. Mai auf den Markt gebracht, ist aber kein Fehler. Jede Zeit braucht einen neuen, frischen und unverbrauchten Blick, jede Generation schaut anders auf die Idole vergangener Tage. Fast 600 Seiten dick ist Baurs Buch und man erfährt als Leser noch einmal eine ganze Menge über Marlene Dietrich, Details und Wendemarken der Karriere, die vielleicht nicht mehr so ganz präsent sind.
Marlene Dietrich: Weltkarriere in Hollywood
Dass die Berlinerin mit dem Film "Der blaue Engel" 1929 in Deutschland einen Riesenerfolg feierte, der sie direkt nach Hollywood katapultierte; dass sie dort unter der Oberaufsicht ihres strengen Zuchtmeisters, des Regisseurs Josef von Sternberg, sechs Filme drehte, die ihr Gesicht im Olymp des Kinos verewigten; dass sie dann, nach zwischenzeitlichen Misserfolgen, in Hollywood-Klassikern wie "Im Zeichen des Bösen" oder "Zeugin der Anklage" mitwirkte; dass sie die US-Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs in Europa unterstützte; dass sie nach dem Krieg große Erfolge auf der Bühne als Sängerin hatte und die letzten Jahre völlig isoliert in einer Pariser Wohnung verbrachte - all das ist bekannt und tatsächlich oft beschrieben worden.
Doch Eva Gesine Baurs neue Biografie, akribisch recherchiert und fast übervoll mit Namen, Details und Anekdoten, bietet noch mehr. Baur geht streng chronologisch vor. Die Anfänge als kokette Schauspielerin auf den Bühnen Berlins, Kleinstrollen vor den Kameras, der bombastische Erfolg mit "Der blaue Engel", bei dem sie ihrem Schauspielpartner Emil Jannings - immerhin gerade erster Oscarpreisträger in Hollywood - die Schau stiehlt, das sind die ersten Jahre der Karriere in Deutschland. Schon damals, das beschreibt ihre Biografie sehr genau, war die junge, aufstrebende Schauspielerin eine glänzende Netzwerkerin und wohl auch eine sehr ehrgeizige und zielgerichtete Person.
Vielfältiges Liebesleben mit beiden Geschlechtern
Diese Kunst, Verbindungen zu knüpfen, Kolleginnen und Kollegen aus der Filmbranche, aber auch von außerhalb, für sich einzunehmen, hat sie dann später in Amerika verfeinert. Es gibt eigentlich kaum jemanden, diesen Eindruck erhält man bei der Lektüre der Biografie, den die Dietrich nicht gekannt, umgarnt und umschmeichelt hat. Und damit hatte sie Erfolg. Alle lagen ihr zu Füßen, viele haben sie geliebt. Und viele hat Marlene Dietrich geliebt. Zumindest hatte sie Affären, Liebschaften, sexuelle Bindungen ohne Unterlass, zu Männern und Frauen gleichermaßen.
Im Besitz ihrer Tochter Maria Riva sollen sich die exakten Aufstellungen ihrer Liebschaften befinden, von bis zu drei Liebhabern pro Tag ist da die Rede. Diese intimen Tagebücher der Marlene Dietrich sind wohl der größte Klatschfundus der Filmgeschichte. Angeblich hat die Schauspielerin verfügt, dass sie erst 25 Jahre nach ihrem Tod veröffentlicht werden dürfen - was ja nicht heißt, dass die Tochter dies befolgt.
Billy Wilder: "Die romantische Unreife einer Sechzehnjährigen"
Was steckte hinter diesem getriebenen Charakter, was spielte sich in den Abgründen der Seele von Marlene Dietrich ab? Warum war sie so überaus beziehungshungrig? Baur versucht das zu ergründen, auch mit Hilfe prominenter Wegbegleiter. Billy Wilder etwa diagnostizierte, Marlene habe "die romantische Unreife einer Sechzehnjährigen" und sei "eine unheilbar romantische Seele." Baur selbst spricht immer wieder von "Bestätigung", die sie gesucht habe bei ihren zahllosen Partnerinnen und Partnern. Das mag ganz sicherlich ein entscheidender Grund gewesen sein für das unaufhörliche Knüpfen neuer Verbindungen. Marlene Dietrich suchte Liebe, Anerkennung, auch und gerade im Bett.
Niemand sei "einsamer als ein extrem polygamer Mensch" hat ihre Biografin in einem dpa-Interview gesagt: "Das Gefühl, einsam zu sein, erwächst auch aus dem Gefühl, unverstanden zu sein. Marlene war ihr ganzes Leben zutiefst verunsichert und von Selbstzweifeln geplagt." Und es stimmt ja auch: Trotz aller Erfolge im Kino und auf der Bühne, Marlene Dietrich hatte immer wieder Durststrecken zu überstehen, gerade auch in späteren Jahren. Ihre phasenweise große Geldnot in den letzten beiden Lebensjahrzehnten dürfte die meisten Leser heute überraschen, die Marlene Dietrich nur als eine der größten Idole der Kinogeschichte kennen. Die Dietrich knapp bei Kasse? Ja, sie lieh sich Geld, verlangte horrende Summen für Interviews, machte Werbung, verausgabte sich bis zur Erschöpfung bei schier unendlichen Tourneen von Las Vegas bis Australien.
Jean Gabin war eine ihrer großen Lieben
Gary Cooper und Maurice Chevalier, Alfred Polgar und Friedrich Torberg, Ernest Hemingway und Erich Maria Remarque, Jean Gabin und Joseph P. Kennedy, die Liste ihrer Bekanntschaften, von denen viele auch Liebschaften waren, scheint unendlich. Den Kontakt zu ihrem Ehemann Rudolf Sieber, den sie 1923 geheiratet hatte, pflegte sie aber bis zu dessen Tod im Jahre 1976, geschieden wurden die beiden nie.
Sie war die Trauzeugin von Edith Piaf, pflegte Kontakt zu Hildegard Knef, Romy Schneider und David Bowie. Erstaunlich eigentlich, dass sie nie für Rainer Werner Fassbinder vor der Kamera stand, hatte das arbeitswütige Genie des 'Neuen Deutschen Films' doch einen Hang zu den älteren Diven des Kinos.
Und auch das verblüfft noch heute: Dass Marlene Dietrich bei ihren Auftritten in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren zum Teil heftig angefeindet und als "Vaterlandsverräterin" beschimpft wurde. "Sie fühlt sich nirgendwo zu Hause, an keinem Ort, in keiner Sprache und auch nicht in einem Beruf, in dem sie ständig darüber nachdenken muss sich teuer genug zu verkaufen", schreibt ihre Biografin und trifft damit wohl auch einen Kern - ohne freilich das ganze Geheimnis der Diva lüften zu können. So bleibt Marlene Dietrich auch 25 Jahre nach ihrem Tod trotz aller Erklärungsversuche ein Mysterium.
Eva Gesine Baur: Einsame Klasse - das Leben der Marlene Dietrich, C.H. Beck Verlag, 576 Seiten, ISBN 9783406705694.