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Draghi übergibt an Lagarde

28. Oktober 2019

In einer Feierstunde in Frankfurt wurde der scheidende EZB-Chef Mario Draghi gewürdigt. Bald übernimmt Christine Lagarde. Damit wird die Notenbank erstmals von einer Frau geführt. Und das ist nicht die einzige Neuerung.

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EZB-Chef Draghi und Lagarde IWF
Bild: AFP/E. Piermont

Offiziell übernimmt Christine Lagarde am 1. November die Amtsgeschäfte als Präsidentin der Europäischen Zentralbank. Doch symbolisch erfolgte die Amtsübergabe durch ihren Vorgänger Mario Draghi schon am Montag im Rahmen eines Festakts in der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main.

Gekommen waren unter anderem Jean-Claude Juncker, der scheidende Präsident der EU-Kommission, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Staatsoberhaupt Sergio Mattarella.

Lob von Merkel und Macron

"Du hast den Euro durch unruhige See navigiert", sagte Merkel zu Draghi. Und Macron lobte, Draghis Politik habe "Europa vor dem Untergang gerettet".

Als EZB-Chef wird Draghi vor allem für sein Machtwort zur Rettung des Euro 2012 in Erinnerung bleiben - und vor seine ultralockere Geldpolitik, die Zinsen auf Rekordtief und massive Anleihekäufe beinhaltete. Allerdings war Draghi nicht der erste EZB-Chef, der die Märkte mit Geld flutete. Schon sein Vorgänger, der Franzose Jean-Claude Trichet, kaufte ab 2010 Anleihen klammer Eurostaaten wie Griechenland, um diesen Ländern bei der Finanzierung ihrer Schulden zu helfen.

In seiner Abschlussrede dankte Draghi den Mitarbeitern der EZB und auch den europäischen Staats- und Regierungschefs für die Unterstützung. Gleichzeitig rief die die Eurostaaten zur stärkeren Zusammenarbeit auf. "Jetzt ist die Zeit für mehr Europa, nicht für weniger", sagte Draghi.

An seine Nachfolgerin Christine Lagarde gewandt, sagte Draghi: "Ich habe volles Vertrauen, dass Du die EZB exzellent führen wirst."

Lagardes untypischer Werdegang

Lagarde sagte, Draghis Erbe sei für sie die "Herausforderung", weiter in seinem Sinne zu wirken "mit Weisheit, Entschlossenheit und Engagement". Sie betonte, es gehe auch ihr darum, den Euro "für die Bürgerinnen und Bürger der Union" zu stärken.

Wenn Lagarde am 1. November Draghis Nachfolge antritt, wird sie die erste Frau an der Spitze der EZB sein. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern ist sie keine Ökonomin, sondern Juristin, und hat zuvor keine nationale Zentralbank geleitet. Dennoch wisse sie genau, "was sie zu tun hat", sagte Draghi vergangene Woche über seine Nachfolgerin.

Draghi, der Ende 2011 mit 64 Jahren Präsident der Europäischen Zentralbank wurde, hatte einen für Notenbanker typischen Werdegang. Schon in seiner Doktorarbeit an der US-Eliteuni MIT hatte es sich mit Währungsfragen beschäftigte, danach lehrte er an verschiedenen italienischen Universitäten, bevor er Professor für Wirtschaftswissenschaften in Florenz wurde. Weitere Stationen seiner Karriere waren die Weltbank (1984-90) und das italienische Finanzminsterium (1991-2001), wo er unter anderem daran arbeitete, das Land fit für den Euro zu machen.

Draghis letzte Sitzung

Es folgte ein kurzer Ausflug in die Privatwirtschaft. Zwischen 2002 und 2005 arbeitete Draghi für die US-Investmentbank Goldman Sachs in London, zuletzt als Managing Director und Vizepräsident. Von 2006 an bis zu seinem Wechsel zur EZB leitete er dann die italienische Zentralbank.

Später wurde bekannt, dass ein Team von Goldman Sachs Griechenland mit Finanztricks geholfen hatte, den desolaten Zustand der Wirtschaft zu verschleiern und sich 2001 in die Europäische Währungsunion zu mogeln. Draghi gab damals an, er habe von den Vorgängen nichts gewusst, die zudem vor seiner Zeit bei Goldman Sachs stattgefunden haben.

Wie weiter unter Lagarde?

Nichts deutet bisher darauf hin, dass die EZB unter Christine Lagarde in nächster Zeit eine Kurswende in der Geldpolitik vollzieht. Die 63-Jährige hat bereits deutlich gemacht, dass sie eine lockere Geldpolitik auf absehbare Zeit für nötig hält. Lagarde sagt aber auch: "Wir müssen die negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten."

Zu den Nebeneffekten gehört, dass Sparer und Banken unter den Niedrigzinsen leiden, außerdem die Bildung von Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten. Unklar ist zudem, wie viele Unternehmen nur deshalb noch nicht pleite sind, weil sie sich derzeit billig verschulden können.

Deutschland | Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt a.M.
Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am MainBild: picture-alliance/AP Photo/M. Probst

Lagarde hat angekündigt, das Themenspektrum der EZB um gesellschaftliche Fragen wie Klimapolitik und Frauenförderung erweitern zu wollen. Auch soll die Geldpolitik unter ihrer Führung besser kommuniziert werden.

Oft die Erste

Dass sie weder Ökonomin ist noch Erfahrungen in der Führung einer nationalen Notenbank hat, ficht Lagarde nicht an. Sie sei "keine supertolle Ökonomin", sagte Lagarde vor einigen Jahren dem "Guardian", aber sie habe "genug gesunden Menschenverstand".

Erfahrungen auf internationaler Bühne hat sie reichlich: 2001 übernahm sie als erste Frau die Führung des Internationalen Währungsfonds (IWF), 2007 wurde sie die erste französische Ministerin für Wirtschaft und Finanzen, und zuvor war sie die erste Chefin der weltweit tätigen US-Anwaltskanzlei Baker McKenzie.

"Zu wissen, wie man Decken durchbricht, ist wichtig", hat Lagarde einmal mit Blick auf die unsichtbare Glasdecke gesagt, an die Frauen oft stoßen. "Zähne zusammenbeißen und lächeln" - dieses Motto hat ihr schon als 15-Jährige ihr Trainer bei der französischen Nationalmannschaft im Synchronschwimmen eingeimpft.

Nicht nur Erfolge

In ihre Amtszeit beim Internationalen Währungsfonds, den Lagarde seit 2011 als Generaldirektorin führte, fiel das Schuldendrama um Griechenland, zu dessen Lösung die Europäer den IWF an Bord geholt hatten. Immer wieder warb Lagarde für einen weiteren Schuldenschnitt, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.

Als französische Finanzministerin wurde sie auch in die Affäre um den Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas durch den Unternehmer Bernard Tapie hineingezogen. Im Dezember 2016 sprach sie ein Pariser Gericht schuldig, weil sie als Finanzministerin fahrlässig zur Veruntreuung französischer Staatsgelder in Höhe von 400 Millionen Euro beigetragen hatte. Das Gericht verzichtete allerdings auf eine Strafe - und verwies dabei ausdrücklich auf Lagardes "Persönlichkeit" und "internationale Reputation".

bea/hb (reuters, AFP, dpa, EZB)