Marina Abramović : Eine lebenslange Performance
Sie ist als Performancekünstlerin weltbekannt. Die 70-Jährige hat seit den 1970er-Jahren mehrere Dekaden der Performance-Kunst geprägt. Und sie in die großen Kunstmuseen gebracht.
Das Vermächtnis der Marina Abramović
In Stockholm performt Marina Abramović ihr neues Stück "The Cleaner" - gemeinsam mit 28 weiteren Performern und 30 Chören in einer ehemaligen Kirche unweit ihrer Retrospektive im Moderna Museet. Sieben Tage lang kann sie von 14 bis 22 Uhr besucht werden, der Eintritt ist frei, alle Habseligkeiten müssen am Eingang abgegeben werden.
1973: Schmerz
Ihr Erweckungserlebnis war eine Performance mit zehn Messern und zwei Tonbandgeräten, eine Art slawisches Trinkspiel. "Ich hatte gespürt, dass mein Körper grenzenlos war, dass Schmerz keine Rollen spielte, dass nichts eine Rolle spielte - und es war berauschend", schreibt Marina Abramović in ihrer Autobiografie. "In dem Augenblick wusste ich, dass ich mein Medium gefunden hatte."
1974: Aufwachsen im Kommunismus
Marina Abramović wuchs in Belgrad als Kind zweier Partisanen auf. Privilegiert mit früher Kunsterziehung auf der einen, einsam und von der Mutter regelmäßig geschlagen auf der anderen Seite. Die Repression im kommunistischen Jugoslawien unter Tito ist immer wieder Thema ihrer Arbeiten, die oft sehr riskant sind: Bei dieser Performance in Belgrad wurde sie von Besucher vor den Flammen gerettet.
1975: Künstlerischer Werdegang
Verletzungen durch Selbst- und Fremdeinwirken, Nacktheit oder Bewusstlosigkeit sind in ihrem frühen Werk eher die Regel als die Ausnahme. Mit ihren radikalen Performances begehrte die 1946 geborene Künstlerin gegen die dekorative Ästhetik auf, die ihre Jugend prägte: "Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass Kunst verstörend sein muss, dass Kunst Fragen stellen und zukunftsweisend sein muss."
1976: Eine Kunst-Beziehung
Die Begegnung mit dem deutschen Künstler Ulay (Frank Uwe Laysiepen) läutete eine neue Periode in Marinas Werk ein. Nicht nur, dass die beiden sich Hals über Kopf ineinander verliebten, sie arbeiteten fortan als kreatives Team. Den Auftakt machte eine Performance bei der Biennale in Venedig: Beide Künstler kollidierten während 58 Minuten immer wieder mit der nackten Körpern - Fleisch gegen Fleisch.
1978: Kreative Verschmelzung
Zwölf Jahre lang lebten und arbeiteten die beiden Künstler zusammen, etwa die Hälfte davon kann man sich als seelisch-künstlerischen Höhenflug vorstellen. Die beiden lebten vier Jahre lang in einem kleinen Citroen-Bus, völlig vogelfrei, und reisten zu den Orten, an die sie für die gemeinsamen Performances eingeladen wurden.
1980: Schleichender Liebesverlust
Es war nur folgerichtig, dass auch ihre Trennung 1988 mit einer Performance besiegelt wurde. Die Wanderung aufeinander zu - die Chinesische Mauer entlang - war eigentlich als romantisches Manifest gedacht, beim Zusammentreffen wollten die beiden heiraten. Doch die Liebe war in den Jahren zuvor auf der Strecke geblieben, sie trennten sich nach der dreimonatigen Wanderung: privat und künstlerisch.
1997: Auseinandersetzung mit den Wurzeln
Die Trennung tat der Schaffenskraft von Marina Abramović keinen Abbruch, im Gegenteil: 1997 wurde sie zur Biennale nach Venedig eingeladen, in die internationale Sektion des italienischen Pavillons. Mit ihrer Arbeit zu den Balkan-Kriegen, in der sie unter anderem während vier Tagen jeweils sieben Stunden am Stück Rinderknochen putzte, gewann sie den Goldenen Löwen.
1997: Den Spiegel reinigen
Die Knochen erinnern auch an die frühere Video-Performance-Reihe "Cleaning the Mirror": Diese wird in der aktuellen Ausstellung in Stockholm re-performt. Es ist eine Möglichkeit, die flüchtige Performance-Kunst zu bewahren. Die Lehrtätigkeit wurde in den 1990ern zum zentralen Bestandteil. Dem Performance-Nachwuchs gibt sie die sogenannte Abramović-Methode mit auf den Weg.
2002: Karriere in New York
Nach ihrem Umzug nach New York im Jahr 2000, arbeitete Marina Abramović sehr viel: Theaterstücke, Performances, viele Begegnungen mit anderen Künstlern. Langsam begann auch das amerikanische Publikum, ihre Kunst zu rezipieren. In "House with an Ocean View" lebte die Künstlerin zwölf Tage in drei komplett einsehbaren Räumen. Die Vision: das Energiefeld zwischen sich und den Besuchern verändern.
2010: Drei Monate Präsenz
Die Schau im Museum of Modern Art war nicht nur eine umfassende Retrospektive, in der die Künstlerin erstmals Re-Performances ihrer bekanntesten Arbeiten zeigte. Sie selbst war drei Monate präsent, die Besucher konnten ihr begegnen - ein Riesenerfolg. Der Medienrummel trug das übrige dazu bei, dass sie ein Publikum erreichte, das über das kunstinteressierte Bildungsbürgertum weit hinaus ging.