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Politik

"Wir wollen ein Kontinent der Humanität sein"

Barbara Wesel | Max Hofmann
3. Juli 2018

Europäische Lösungen und nationale Alleingänge. Manfred Weber erklärt, wie er den Spagat schafft, zwischen seinen Rollen als Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) und Vizevorsitzender der CSU.

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Griechenland Flüchtlingslager
Bild: picture-alliance/NurPhoto/N. Economou

Deutsche Welle: Der sogenannte Kompromiss zwischen CDU und CSU in Berlin könnte zur Zurückweisung von Migranten an der deutsch-österreichischen Grenze führen. Die Rede ist auch von "Übergangszentren". Das ist doch eine nationale und keine europäische Lösung, oder?

Manfred Weber: Das ist absolut vereinbar mit dem, was beim Europäischen Rat verabredet wurde, weil man da feststellte, dass nationale Maßnahmen möglich sind, wenn sie in Zusammenarbeit mit den Nachbarn passieren. Und der Kompromiss in Berlin definiert klar, dass wir nur die (Migranten, d. R.) zurückweisen, bei denen es ein bilaterales Abkommen mit einem anderen Land gibt, das heißt mit Griechenland, Spanien und anderen.

Aber wie können Sie als überzeugter Europäer, als den wir Sie im Laufe der Jahre erlebt haben, damit glücklich sein?

Ich bin froh, weil wir Stabilität haben und eine stabile Regierung in Deutschland, weil es das ist, was Europa braucht. Auf der anderen Seite ist diese harte Debatte in Deutschland für uns alle ein Signal, dass wir uns mit der österreichischen Ratspräsidentschaft dafür einsetzen müssen, die Probleme zu lösen. Wir brauchen eine europäische Antwort, eine Reform der Dublin-Regeln, das ist was auf dem Tisch liegt. Und die Voraussetzung für all das ist, dass die EU die Kontrolle über ihre Außengrenzen wieder erlangen muss.

EU-Parlament | Manfred Weber, Vorsitzender EVP
CSU-Vize Manfred Weber im Interview mit der DWBild: DW/B. Wesel

Aber das ist doch eigentlich derzeit kein so drängendes Problem. Die Zahlen sind dramatisch zurückgegangen. Haben wir wirklich ein Migrationsproblem zurzeit?

Absolut! Es ist nicht mehr so groß wie 2015, aber es gibt ein Problem, und das ist eine langfristige Herausforderung. Schauen wir nach Afrika, was dort passiert, dem müssen wir uns stellen. Die Migrationsfrage braucht eine nachhaltige Antwort. Und auf der praktischen Seite heißt das Verstärkung des Schutzes an den Außengrenzen, weil die Menschen überall in Europa von uns erwarten, dass wir die Kontrolle zurückgewinnen. Aber zweitens ist für uns in der EVP auch klar, dass wir ein Kontinent der Humanität sein wollen.

Un wo bleibt die Humanität bei alledem?

Wir müssen das Umsiedlungsprogramm umsetzen. Wir müssen der Welt beweisen, dass wir bereit sind, auf legaler Basis Verantwortung zu übernehmen. Dass wir bereit sind, Flüchtlinge aus Problemländern aufzunehmen. Ich denke, die meisten Bürger in Europa sind bereit, Flüchtlinge aus Syrien zum Beispiel zu helfen, sie aufzunehmen. Aber sie wollen die Gewissheit haben, dass es sich um wirkliche Flüchtlinge handelt.

Sehen Sie nicht die Gefahr, dass das Flüchtlingsthema alles andere verdrängt? Wenn Sie an Trump denken, an Russland und Putin - wie steht es mit den wirklichen Problemen Europas?

Migration ist ein wichtiges Thema für die EU, aber sicherlich nicht das einzige. Was Menschen von uns erwarten, sind keine weiteren Diskussionen, sondern Lösungen und deshalb war der letzte EU-Gipfel ein großer Erfolg. Es geht darum zu zeigen, dass Europa die Kontrolle über seine Außengrenzen wieder erlangt, und das war ein wichtiges Signal.

Haben Sie keine Angst, wenn Sie in die Sprache von Herrn Salvini und anderen verfallen, dass Sie einen Weg für die Rechtsextremen bahnen und am Ende ihre Politik befördern?

Wir müssen die Sorgen der Menschen berücksichtigen, und die müssen verstehen, dass wir das tun. Was aber nicht funktionieren wird, ist, wenn entweder eine pro-europäische, konservative Partei wie die EVP die Populisten kopiert oder wenn die Linken das mit kommunistischen Phrasen machen. Wir müssen klar sein in unserer Ausdrucksform, unseren Interessen und unseren Standpunkten.

Glauben Sie, dass Sie die EVP hier zusammenhalten können, wenn Sie an Salvini in Italien denken und Orbán in Ungarn, der immer noch Mitglied der Parteienfamilie ist. Die Populisten wollen die Spaltung Europas vorantreiben - können Sie dagegenhalten?

Ich glaube nicht, dass jemand die Spaltung in Europa sucht. Viele arbeiten doch für die Einheit dieses Kontinents und deshalb ist jeder, der in diese Richtung arbeitet, Teil unseres Teams. Wenn jemand in der EU gegen eine obligatorische Quote (zur Verteilung der Flüchtlinge, d. R.) ist, dann richtet sich das nicht gegen Europa. Das ist eine vertretbare politische Position. Die deutsche Regierung hat diese Haltung jahrzehntelang vertreten, bevor wir 2015 dieses große Problem hatten. Wir sollten in Europa nicht in Schwarz oder Weiß denken. Wir sollten nicht sagen: Die sind die Anti-Europäer, und wir sind die Guten. Das wird so nicht gehen. Wir brauchen Brückenbauer, die die Dinge zusammenbringen. Wir müssen die Probleme der anderen verstehen, um Lösungen zu finden. Aber was wir brauchen, ist der Wille zu Lösungen, so viel ist klar.

Manfred Weber ist stellvertretender Parteivoristzender der CSU und Fraktionsvorsitzender der EVP im Europäischen Parlament.

Das Interview führten Max Hofmann und Barbara Wesel.