Mallorca: Der Ballermann feiert weiter
2. Juli 2018Warnschilder an der Playa de Palma weisen mehrsprachig auf das Verbot des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit hin. Trinken ist nur noch in Lokalen erlaubt, nicht aber am Strand und auf der Straße. Auch das Abspielen lauter Musik an der Playa ist untersagt. Bis zu 3000 Euro Strafe drohen bei Verstößen. Doch die Schilder, die darauf hinweisen, sind mit Aufklebern deutscher Fußballvereine übersät, als wollten die Touristen sagen: "Was kümmern uns eure Regeln?".
Tatsächlich stellt sich die Frage: Ist es angesichts der Masse an feierfreudigen Urlaubern überhaupt möglich, die Verbote durchzusetzen? Mitte Juni hatte die Polizei in zwei aufeinanderfolgenden Nächten Razzien veranstaltet. Die Botschaft: Dem Sauftourismus geht es an den Kragen. 182 Anzeigen kamen zustande, 88 davon wegen Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit.Eine Woche später legten die Sicherheitskräfte nach und erstatteten Anzeige gegen neun Geschäfte, unter anderem wegen des Verkaufs von Alkohol zwischen Mitternacht und acht Uhr morgens sowie wegen der Bewerbung von Alkohol mit Trink-Eimern oder Leuchtreklamen. Denn die Benimmregeln sehen vor, dass Alkohol nachts nur in Gaststätten, Bars und Tanzlokalen verkauft werden darf, aber nicht in Läden und am Kiosk. Medien auf Mallorca sprachen von einer "Knöllchen-Offensive".
Anwohner fühlen sich von der Politik allein gelassen
Gegen die Saufgelage hat aber bisher nichts geholfen. Die Kontrollen seien lächerlich, empört sich Gabriel Barceló, der Vorsitzende des Nachbarschaftsverbands der Playa de Palma. "Wenn ich morgens aus dem Haus und zur Arbeit gehe, rieche ich eine Mischung aus Alkohol, Erbrochenem und Urin. Zu jeder Tages- und Nachtzeit hört man Gekreische und Gegröle der Touristen", sagt der 54-Jährige angewidert. "Einmal im Jahr macht die Polizei dann eine Razzia, damit man ein Foto in den Medien hat."
Sein Verband fordert seit Jahren ein härteres Durchgreifen seitens der Stadt Palma. "Wir brauchen diese Razzien jeden Tag, erst dann würde sich etwas ändern." Notfalls müsse Playa de Palma eine eigene Gemeinde werden, um sich selbst besser zu verwalten, sagen mittlerweile immer mehr Bürger.
In der Verwaltung der Inselhauptstadt will man den Vorwurf der Untätigkeit nicht auf sich sitzen lassen. 120 zusätzliche Polizisten habe man für die Sommermonate eingestellt. "Wir gehen weiterhin unerbittlich gegen den Sauftourismus vor", betont ein Sprecher. Ziel für den Sommer 2018 sei es, mindestens 2000 Verstöße gegen die neuen Regeln zur Anzeige zu bringen. Zudem werde an einem neuen Gesetz gearbeitet, das die aktuellen Sittenregeln an der Playa noch verschärfen soll. Wie hoch die verhängten Bußgelder gegen die Touristen aber tatsächlich sind, konnte der Sprecher nicht sagen.
Hoteliers für Verhaftungen von Sauftouristen
Der Druck auf die Stadtverwaltung wächst, denn die Anwohnerverbände haben einen unerwarteten Alliierten gewonnen: die Hotelbetreiber. José Antonio Fernandez de Alarcón, Vizepräsident des Hoteliersverbandes der Playa de Palma, sprach vor wenigen Tagen vielen seiner Kollegen aus dem Herzen: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn Bilder von festgenommenen, betrunkenen Urlaubern in den Medien zu sehen wären. Verhaftet sie, verhängt Strafen, weist sie aus! Wir wollen sie nicht!" Die Hotelbetreiber hätten es satt, Millionenbeträge in ihre Häuser zu investieren, während auf den Straßen ringsum das Chaos tobe. Gerade in den drei Fünf-Sterne-Hotels, die in den vergangenen Jahren an der Playa eröffnet haben, werde das Umfeld zum Problem. "Da kommt kein Gast wieder. Auf so einer Grundlage kann man kein Geschäft führen", so Fernandez de Alarcón. Ein Staat, der nicht in der Lage sei, über Jahre vier Kilometer Strandlinie unter Kontrolle zu bringen, habe versagt. "In Deutschland lachen die sich doch tot über uns."
Palmas Bürgermeister Antoni Noguera weist die Anschuldigungen zurück. Die Hoteliers trügen selbst Schuld an der Misere, zumal sie an den letzten Sitzungen zum Thema Playa de Palma gar nicht erschienen seien, sagt er. Es wirkt fast so, als werde der Schwarze Peter am Ballermann munter zwischen allen Parteien hin- und hergeschoben.
Patrick Schirmer Sastre (dpa)