1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Maliki will den Ruf der Armee retten

Birgit Svensson, Bagdad15. Juni 2014

Als ISIS das Land überrannte, quittierten viele Soldaten ihren Dienst an der Waffe. Nun sollen Freiwillige die nötige Motivation zum Kämpfen für die irakische Armee mitbringen. Ein schwieriges Unterfangen.

https://p.dw.com/p/1CIru
Porträt von Nuri al-Maliki, Ministerpräsident des Irak (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die irakische Regierung meldet Erfolge im Kampf gegen die sunnitischen ISIS-Extremisten. Die Armee habe die Kontrolle über die Städte Tikrit und Samarra nördlich der Hauptstadt Bagdad übernommen und 280 Terroristen getötet, sagt ein Sprecher von Regierungschef Nuri al-Maliki in Bagdad. Damit versucht der Premierminister den schlechten Ruf der Truppe wieder zu verbessern.

Die Armee war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, als viele ihrer Soldaten desertierten und die Großstadt Mossul im Nordirak praktisch kampflos den Terroristen überließen. Auch in Tikrit, Saddam Husseins Heimatstadt, wurde der Gouverneurspalast binnen kurzer Zeit besetzt. Wie kann das geschehen, fragten sich viele verblüffte Iraker, dass innerhalb von wenigen Tagen ganze Landesteile, Regierungspaläste, Fernsehsender und Polizeistationen schwarze Dschihadisten-Fahnen tragen? Gibt es im Irak keine Sicherheitskräfte, die diesen selbst ernannten Gotteskriegern entgegentreten?

Gute Bezahlung

Mehr als eine Million Soldaten zählt die irakische Armee. Zusammen mit der Polizei sind es 1,5 Millionen Männer und wenige Frauen, die auf der Lohnliste der Regierung stehen. Ihr Verdienst gilt als gut, 1000 Dollar und mehr pro Monat. Die Jobs sind begehrt. Fast jede Familie in Bagdad hat mindestens ein Mitglied in Polizei oder Armee. Sie sind die finanziell tragende Säule der Gesellschaft, denn noch immer ist die Arbeitslosigkeit hoch, andere Jobs unsicher. Und trotzdem boten die Soldaten den marodierenden ISIS-Terroristen keinen nennenswerten Widerstand. Augenzeugen aus den Städten Mossul und Tikrit berichteten, die Soldaten hätten ihre Uniformen ausgezogen, die Waffen niedergelegt, die Fahrzeuge verlassen und seien nach Hause gegangen. Andere seien samt ihren Fahrzeugen in die kurdischen Autonomiegebiete Richtung Erbil und Dohuk geflüchtet.

Ein Soldat an einem Geschütz (Foto: Reuters)
Rund 1000 Dollar dürfte der Soldat im Monat verdienenBild: Reuters

Schlechte Ausrüstung

Fast 25 Milliarden Dollar haben die Vereinigten Staaten für die Ausbildung der neuen irakischen Armee ausgegeben, nachdem US-Adminstrator Paul Bremer nach dem Einmarsch im Frühjahr 2003 die gesamten irakischen Sicherheitskräfte aufgelöst hatte und eine neue Armee gründete. Doch beim Abzug der US-Truppen acht Jahre später stellte ein interner Bericht des Pentagon fest, dass die Armee noch immer "unzureichende Standards" aufweise. So sei die Ausrüstung beispielsweise der Grenztruppen völlig unzulänglich. Zwar seien Sondereinheiten für den Anti-Terrorkampf ausgebildet worden, aber das Gros der Soldaten sei nur minimal trainiert. Als absoluten Schwachpunkt nennt der Bericht die Unfähigkeit der irakischen Armee, sich gegen äußere Feinde zu verteidigen. Es gebe so gut wie keine Luftabwehr, eine Luftwaffe sei praktisch nicht existent. Grenzsoldaten bemängelten eine ungenügende technische Ausstattung an der Grenze. Sie hätten keine Nachtsichtgeräte, nicht einmal genügend Ferngläser. Ob ein illegaler Passant ein Flüchtling oder ein Selbstmordattentäter sei, könne kaum festgestellt werden. Es gebe keine Sprengstoffdetektoren, "nichts dergleichen".

Noch schlechtere Moral

Was jedoch noch schwerer wiegt als die unzulängliche Ausbildung und mangelhafte Ausrüstung, ist die Moral der Truppe. "Ich kämpfe doch nicht für Maliki", hörte man in den letzten Monaten immer häufiger von Soldaten. Als es zwischen dem Regierungschef Nuri al-Maliki in Bagdad und dem Kurdenpräsident Masoud Barzani in Erbil zum offenen Streit kam, haben schon vor einem Jahr scharenweise Kurden die Streitkräfte verlassen und sich den eigenen, kurdischen Peschmerga angeschlossen. Der Kampfgeist der Sunniten ist ebenfalls minimal. "Die kleinen Soldaten werden doch nur verheizt", sagen Insider. In höheren Positionen hätte der schiitische Regierungschef keinen Sunniten geduldet. Das zeige sich schon daran, dass er den Posten des Verteidigungs- und Innenministers mit sich selbst besetzt hat, eine Position, die im Parteienproporz des Irak einem Sunniten zustünde. Der Ruf der Armee, eine Streitmacht für alle Volksgruppen zu sein, wie von den Amerikanern zunächst angedacht, ist durch die Haltung Malikis zunichte gemacht worden.

Soldaten kontrollieren Flüchtlinge an einem Checkpoint in Erbil (Foto: dpa)
Soldaten kontrollieren Flüchtlinge an einem Checkpoint in ErbilBild: picture-alliance/dpa

Doch das soll sich jetzt ändern. Freiwillige sollen die regulären Kräfte verstärken und so die Motivation von außen mitbringen. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob Malikis Rechnung aufgeht.