Deutschland streitet über Sahel-Engagement
13. Mai 2020Für gute Nachrichten sorgt die Sahelregion im Moment selten. Allein die Meldungen der letzten Tage verheißen wenig Gutes: 20 Tote nach Terrorangriffen in Niger, drei tote UN-Blauhelme nach einem Anschlag in Mali, acht tote Soldaten im benachbarten Burkina Faso.
Meldungen, die auch die deutsche Politik aufschrecken. Sie hat die Krisenregion im Westen Afrikas gerade besonders im Blick. In wenigen Wochen soll der Bundestag ein neues Mandat für den Bundeswehr-Einsatz in Mali beschließen. Seit 2013 unterstützen deutsche Soldaten zwei verschiedene Missionen. Die Sicherheitslage hat sich trotzdem verschlechtert. Rebellen und extremistische Gruppen kontrollieren weite Gebiete der gesamten Sahelzone. Anschläge auf Polizei und Militär gehören zur Tagesordnung. Viele Menschen in der Region sind noch immer bettelarm.
"Die Sahelregion ist für die Entwicklung West- und Nordafrikas von entscheidender Bedeutung. Gelingt es den dortigen Regierungen nicht, den Terrorismus in den Griff zu bekommen und die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder voranzubringen, wird es zu erheblichen Verwerfungen in der Region und über den Kontinent hinaus kommen", warnt der außenpolitische Sprecher der CDU, Jürgen Hardt, im DW-Interview. Die Berliner Politik hat ein düsteres Szenario vor Augen: Die Region droht zum Rückzugsort für weltweit operierende Terrorgruppen zu werden. Wenn Staaten kollabieren und die Armut weiter wächst, könnte ein Flüchtlingsstrom Richtung Europa die Folge sein.
Bundeswehreinsatz dürfte gefährlicher werden
Die Bundesregierung will das unbedingt verhindern. Der Militäreinsatz soll deshalb ausgeweitet werden: Statt wie bisher 350 sollen künftig bis zu 450 deutsche Soldaten die EU-Trainingsmission EUTM unterstützen. Und das nicht mehr nur im vergleichsweise sicheren Süden Malis. Künftig sollen sie ihre malischen Kollegen im ganzen Land begleiten. An Kampfeinsätzen sollen sie sich zwar nicht beteiligen, der Einsatz dürfte trotzdem gefährlicher werden als bisher. Anschläge auf die Armee gehören in vielen Landesteilen längst zum Alltag.
Die CDU-Bundestagsfraktion unterstützt die Pläne – und will sogar noch mehr deutsche Engagement. In einem neuen Strategiepapier plädiert sie für den Einsatz deutscher Ausbilder nicht nur in Mali, sondern auch in den Nachbarländern Niger, Burkina Faso, Mauretanien und dem Tschad. Regionale Einsätze sieht auch das neue Mandat perspektivisch vor. Hardt: "Die Grenzen zwischen diesen Staaten bilden für Terrorismus kein Hindernis. Die bloße Konzentration auf ein Land macht keinen Sinn."
Zugleich fordern die CDU-Parlamentarier aber auch mehr zivile Hilfe: "Neben dem Engagement der Bundeswehr und der Polizeikräfte beim Aufbau der Sicherheitskräfte ist natürlich das entwicklungs- und wirtschaftspolitische Engagement ganz entscheidend", so Hardt. Die Unterstützung Deutschlands soll sich aus Unionssicht in erster Linie nach den lokalen Bedürfnissen richten.
Kritik aus der Opposition
Ein sinnvoller Ansatz, sagt Matthias Basedau, Direktor des GIGA-Instituts für Afrika-Studien in Hamburg. "Wichtig ist anzuerkennen, dass die Probleme vor Ort nur von den Regierungen und der Bevölkerung vor Ort gelöst werden können." Doch gerade bei der militärischen Zusammenarbeit warnt er vor einer zu hohen Erwartungshaltung. "Bisher hat es eher ernüchternde Erfahrungen mit der Ertüchtigung der Sicherheitskräfte im Sahel gegeben. Es hat sich gezeigt, dass es sehr schwierig ist, eigentlich sinnvolle Maßnahmen umzusetzen, wenn die Regierungen vor Ort nicht voll mitziehen", so Basedau zur DW.
Teile der Opposition sehen das militärische Engagement aus anderen Gründen kritisch: "Die Ausbildungsmissionen dienen dazu, in fragilen demokratischen Staaten die Armee auszubilden, um die Demokratie zu stabilisieren. Wenn man das ausweiten will, hat man es plötzlich auch mit autoritären Regierungen und einer Diktatur im Tschad zu tun. Das halte ich für einen schwerwiegenden Fehler", sagt der grüne Außenpolitiker Frithjof Schmidt der DW.
Kampfeinsätze vorerst vom Tisch
Ursprünglich hatte Verteidigungsminister Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sogar einen weitaus robusteren Militäreinsatz ins Spiel gebracht. Sie schlug vor, dass sich deutsche Soldaten auch an französischen Kampfeinsätzen gegen militante Extremisten beteiligen sollten. Ein riskantes Unterfangen, auch weil ein gefährlicher Einsatz in der deutschen Öffentlichkeit extrem unpopulär wäre. Der Vorschlag scheint vom Tisch: Im CDU-Konzept ist nur noch vom Einsatz zusätzlicher Drohnen und Technik zur medizinischen Evakuierung die Rede.
Der FDP-Entwicklungspolitiker Christoph Hoffmann hält das deutsche Engagement nach wie vor zu gering: "Die Bundesregierung hat sich bisher nur durch halbherziges Engagement ausgezeichnet", kritisiert Hoffmann gegenüber der DW. Auch im zivilen Bereich: "Die Region braucht Investment in Jobs. Investments von deutschen Firmen können aber nur kommen, wenn die Bedingungen stimmen". Dazu müsse die Bundesregierung aber die Risikoabsicherungen für deutsche Investitionen vor Ort verbessern.