Mali: IBK und Cissé in der Stichwahl
7. August 2018"IBK, Präsident! IBK, Präsident! IBK, Präsident!" Es ist laut, stickig und eng im weißen Zelt, das neben dem Wahlkampfbüro von Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta aufgebaut ist. Es ist der erste Auftritt des 73-Jährigen nach der Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse der Präsidentenwahl vom 29. Juli. Hunderte Anhänger jubeln ihm zu, Dutzende Journalisten warten auf seine Rede. IBK, wie der Präsident nur genannt wird, hat sich Unterstützung geholt und steht mit einigen Ministern und Beratern auf der Bühne. "Ich haben einen gewaltigen Vorsprung mit mehr als 41 Prozent der Stimmen bei 24 Kandidaten", sagt er und bekommt Applaus. Anschließend fordert er aber auch: "Wir müssen alle überzeugen, besonders die, die noch zweifeln, dass wir die beste Wahl für Mali sind." Er wirkt dabei gelöster und spricht klarer als noch bei den Auftritten vor dem ersten Wahlgang.
Seit Jahrzehnten ist Keïta, der in Paris und Dakar Geschichte und Internationale Beziehungen studierte, eine der zentralen Figuren in der malischen Politik. Bereits in den 90er Jahren war er Premierminister unter dem damaligen Präsidenten Alpha Konaré, anschließend fungierte er mehrere Jahre als Parlamentspräsident. 2013 übernahm IBK schließlich das Präsidentenamt.
"Alle kennen IBK in Mali, selbst die kleinen Kinder", sagt Moussa Timbiné, Vize-Präsident der Nationalversammlung und IBK-Unterstützer. Er beschreibt den Präsidenten als strengen Chef: "Wenn man mit ihm arbeitet, muss man wirklich sehr korrekt sein. Er mag keine Menschen die lügen, die stehlen, diese ganze Korruption", so Timbiné.
Opposition bleibt beim Vorwurf der Wahlfälschung
IBK bleibt bis zum 12. August um diejenigen zu überzeugen, die im ersten Wahlgang nicht für ihn gestimmt haben. Dann nämlich tritt er mit Oppositionsführer Soumaïla Cissé von der Union für die Republik und die Demokratie (URD) in der Stichwahl an. Cissé erhielt im ersten Wahlgang 17,8 Prozent der Stimmen. Bei ihm und seinem Wahlkampfteam, deren Bamakoer Büro in Sichtweite zu dem des Präsidenten liegt, herrscht jedoch Ernüchterung. "Wir wissen genau, dass die Regierung alles getan hat, um den freien Bürgerwillen am Wahltag, dem 29. Juli, zu verhindern", sagt der 68-jährige Oppositionsführer. "Die Ergebnisse sind nicht glaubwürdig. Sie sind eine Fälschung".
Gemeinsam mit 17 weiteren Kandidaten hat er mittlerweile den Rücktritt des Ministers für Territorialverwaltung und Dezentralisierung gefordert. Dessen Ministerium ist für die Organisation der Wahl und die Bekanntgabe der Ergebnisse verantwortlich. Außerdem hat die Opposition das Verfassungsgericht aufgefordert, den Vorwurf der Wahlfälschung untersuchen. Die Richter müssen sich bis zum 8. August äußern.
Cissé gilt als der ewige Zweite
Die Stichwahl weckt Erinnerungen an 2013, als Cissé und IBK schon einmal gegeneinander antraten. Damals holte IBK mehr als 77 Prozent der Stimmen. Cissé gratulierte ihm gut 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale und gestand damit seine Niederlage ein. "Er ist wirklich ein sehr angenehmer Mensch", sagt sein Kommunikationsberater Nouhoum Togo. "Aber er ist auch direkt. Wenn etwas nicht funktioniert, dann sagt er das."
Egal, ob im Wahlkampfbüro, bei Konferenzen oder Auftritten vor Wählern: Cissé wirkt ruhig, fast gelassen. Er ist nahbarer, erscheint jedoch nicht so staatsmännisch wie der Amtsinhaber. Doch das ist in diesem Wahlkampf auch nicht die Strategie. Der Informatiker, der seine Ausbildung in Dakar und Montpellier erhielt, will weniger den großen Staatsmann, sondern den Wandel verkörpern.
Dabei ist auch er seit der Demokratisierung Anfang der 1990er Jahre im politischen Geschäft. Unter Präsident Konaré war Cissé von 1993 bis 1997 Finanz- und Wirtschaftsminister sowie später Umwelt- und Urbanisierungsminister. In dieser Zeit arbeitete er ausgerechnet mit seinem heutigen Kontrahenten Keïta zusammen, der damals das Amt des Premierministers ausübte. 2002 traten beide erstmalig um das höchste Staatsamt an. Es war das einzige Mal, dass Cissé vor IBK lag, wenngleich nur mit einem hauchdünnen Vorsprung von gut 4000 Stimmen. Damit schaffte er es zwar in die Stichwahl, unterlag schließlich aber gegen Amadou Toumani Touré.
Ein Geschäftsmann als Königsmacher?
Kommunikationsberater Nouhoum Togo spricht sehr laut, wenn er danach gefragt wird, ob Cissé nicht ebenso wie IBK die alte politische Klasse repräsentieren würde. "Könnte in Deutschland ein junger Mensch, der noch nie etwas gemacht hat, einfach Präsident werden? In welchem Land wären wir denn dann?" Der Wandel, das seien Etappen und Logik, sagt er und ist sicher: Viele Ämter bedeuten viel Erfahrung und Wissen. Außerdem sei Cissés Umfeld modern und jung.
Für Sékou Diabaté sieht Wandel jedoch anders aus. Er ist Vorstandsmitglied der Demokratischen Allianz für den Frieden (ADP-Maliba) und Sprecher des drittplatzierten Kandidaten Aliou Diallo, der 7,95 Prozent der Stimmen erhielt. "Wir denken, dass der Wandel eher mit Aliou Diallo möglich ist. Er ist erstmalig 2013 in der Politik aufgetaucht und nicht in alte Geschichten des Staats verstrickt", sagt Diabaté über den Generaldirektor des Bergbauunternehmens Wassoul'or, das im Süden Malis eine Goldmine betreibt.
Die Macht der kleinen Kandidaten
Diallo, der 2013 noch die Kandidatur IBKs unterstützte, könnte tatsächlich das sprichwörtliche Zünglein an der Waage werden. Er gehört zwar der Oppositionsallianz an, die sich nun hinter Cissé versammeln will. Doch Diallos Parteikollege Sékou Diabaté will nicht zu viel versprechen: "Es ist die Aufgabe unseres Kandidaten, nun tatsächlich eine Entscheidung zu treffen. Sie muss zugunsten unserer Partei, der ADP-Maliba, und zugunsten seiner eigenen Kandidatur fallen."