Malaria-Mücken werden immun gegen Insektizide
25. April 2014Mehr als 200 Erwachsene und Kinder haben sich um ein Moskitonetz versammelt. Es ist April in Burkina Faso und sehr heiß und trocken - die Menschen in dem westafrikanischen Land empfinden das als Segen. Denn wenn bald wieder die Regenzeit beginnt, wenn es feucht wird, dann wird auch die Zahl der Malariafälle dramatisch ansteigen.
Die Menschen aus dem Ort in der Nähe von Ziniaré, 40 Kilometer von der Hauptstadt Ouagadougou, sind zusammen gekommen, um ihrem "health care worker", ihrem Gesundheitsberater, zu lauschen. Mit einem Megaphon steht er vor ihnen und erklärt, wie man Mückenstiche - und damit Malaria - verhindern kann.
Einen Jungen in einem Burkina-Faso-Fußball-Trikot fordert er auf, unter das aufgespannte Mückennetz zu krabbeln. Dann zeigt der Gesundheitsarbeiter, wie man die Enden des Moskitonetzes unter die Matratze stecken muss, damit keine Mücken ins Innere des Schlafgemachs kommen können.
Aber unter dem Moskitonetz zu schlafen ist nur eine der goldenen Regeln. "Wenn Leute zu eurem Haus kommen, um Insektizide zu versprühen, lasst sie gewähren", verkündet der Gesundheitsarbeiter durch das Megaphon. Denn Mücken zu töten, sei die beste Methode, um Malaria zu verhindern.
Eine potente Waffe verliert ihre Wirkung
Das am häufigsten eingesetzte Insektizid gegen Malariamücken ist DDT. Diese Substanz hat sich als so wirkungsvoll erwiesen, dass manche sie als "Atombombe der Pestizide" bezeichnet haben.
Seit den Stockholmer Konventionen von 2001 ist DDT in der Landwirtschaft geächtet, denn es wirkt hormonähnlich und ist daher umweltschädlich. Greifvögel etwa legen Eier mit dünneren Schalen, was einst zu erheblichen Bestandseinbrüchen führte. Trotzdem bleibt DDT im Kampf gegen Malaria in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern erlaubt und wichtig. Die Menschen sprühen es auf die Hauswände, damit die Mücken sterben, die sich darauf niedersetzen.
Das Versprühen von Insektiziden gehört zum nationalen Malaria-Kontroll-Programm von Burkina Faso. Gesundheitsminister Léné Sebgo will die Zahl der Malariafälle innerhalb der nächsten fünf Jahre halbieren. Im Jahr 2013 verzeichnete das Land mit seinen 17 Millionen Einwohnern sieben Millionen Malariafälle.
Aber DDT wird nicht dabei helfen, die Tropenkrankheit in Burkina Faso einzudämmen, sagt Patrice Combary, der das nationale Malaria-Kontroll-Programm koordiniert. "Die Mücken sind resistent gegen DDT geworden. Es tötet sie nicht mehr." Und er fügt hinzu: "Die Situation wird immer schlimmer."
Die Alternativen sind zu teuer
Baumwollfarmen in Burkina Faso haben in der Vergangenheit großflächig DDT eingesetzt, um Pflanzenschädlinge loszuwerden, sagt Combary. Aber auch auf die Mücken hat es gewirkt - sie haben sich an das Mittel gewöhnt.
Da DDT jetzt wirkungslos ist, hat Burkina Faso begonnen, andere Insektizide zu versprühen, sagt Combary, und zwar Carbamate. Aber diese Substanzen sind sehr teuer. "134.000 Haushalte einzusprühen, hat über 500 Millionen CFR Francs gekostet", sagt er, "das sind eine Million US-Dollar. Es ist einfach zu teuer. Wir werden damit wieder aufhören."
Auch Insektizide auf Moskitonetzen betroffen
Viele Moskitonetze sind heutzutage mit synthetischen Insektiziden, mit Pyrethroiden imprägniert. Aber laut Combary haben sich in einigen Regionen Burkina Fasos auch dagegen bereits Resistenzen entwickelt.
Forscher der Liverpool School of Tropical Medicine haben herausgefunden, dass eine einzige Veränderung im Erbgut Mücken gleichzeitig gegen DDT und Pyrethroide resistent machen kann.
"Wenn an einem Ort DDT-Resistenzen auftreten, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Resistenzen gegen die Insektizide auf Moskitonetzen existieren", sagte Charles Wondji, Erstautor der Studie, der DW.
Ein weltweites Problem
Die Situation verschärft sich auch in anderen Ländern der Welt. Resistenzen gegen moderne Insektizide sind sehr häufig, vor allem in Teilen Westafrikas und in Sri Lanka.
"Je mehr DDT und andere Insektizide - eingesetzt werden, desto mehr entwickeln die Mücken Resistenzen", sagt Jürgen May vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. "Es ist zu befürchten, dass das zu einem Wiederauftreten der Malaria in einigen Regionen führen wird."
Laut May hat man einen solchen Trend bereits zwischen 1990 und 2000 beobachtet, als die schädliche Wirkung von DDT auf die Umwelt bekannt wurde und es daher weniger häufig eingesetzt wurde.
"Am besten wäre es, ein neues Pestizid mit einem neuen Wirkmechanismus zu finden", sagt May, "denn dann könnte es sein, dass die Mücken bisher noch keine Mutationen entwickelt haben, die eine Resistenz gegen dieses Pestizid vermitteln."
Neue Insektizide der einzige Ausweg
Das Innovative Vector Control Consortium (IVCC), ansässig an der Liverpool School of Tropical Medicine, hat genau dieses Ziel: Die Forscher wollen drei komplett neue Insektizide entwickeln.
"Wir haben jetzt mehr als acht Kandidaten, die alle auch gegen solche Mücken wirken, die gegen die existierenden Insektizide resistent sind", sagte Nick Hamon, Geschäftsführer des IVCC im Oktober 2013. "Bis Ende des Jahres 2014 werden wir drei Substanzen ausgesucht haben, um daraus marktreife Insektizide zu entwickeln."
Hamon sagte, dass malaria-endemische Länder in der Lage sein sollten, die Malariamücken für die kommenden Jahrzehnte in den Griff zu bekommen, wenn sie drei neue Produkte haben, die Mücken mit unterschiedlicher biologischer Wirkweise töten.
Aber, fügt er hinzu, die neuen Wunderpestizide werden frühestens im Jahr 2020 auf den Markt kommen können. So bleiben Burkina Faso noch mindestens sechs Jahre, in denen das Land auf die Hilfe von weitflächig einsetzbaren Insektiziden verzichten muss.
Allerdings - ein Trost bleibt: Moskitonetze bieten auch so einen guten Schutz gegen Mückenstiche, auch wenn die Insektizide auf ihnen immer wirkungsloser werden.