Frankreichs Antwort auf #MeToo
28. Februar 2018Weiß ist die Farbe des Protestes in Frankreich, nicht schwarz wie bei den Kolleginnen in Hollywood, die mit ihrer Bewegung Time's Up ("Die Zeit ist reif") im Januar gegen sexuellen Missbrauch und Belästigung von Frauen am Set an die Öffentlichkeit gingen. #MaintenantOnAgit heißt übersetzt: "Jetzt handeln wir."
Anders als in den USA, wo Schauspielerinnen wie Meryl Streep, Natalie Portman oder Cate Blanchett zur Verleihung der Golden Globes in schwarzen Roben über den roten Teppich flanierten, wollen die französischen Schauspielerinnen, Sängerinnen oder Comedians zur Verleihung des nationalen Filmpreises César am Freitagabend (2.3.2018) ein bescheidenes weißes Band tragen. Es erinnert an die rote Schleife der Aids-Aktivisten und wird gut sichtbar als Zeichen der Solidarität präsentiert. Die César-Akademie hat bereits ihre Unterstützung zugesagt, und so werden bei der 43. Verleihung der Filmpreise nicht nur Schauspielerinnen, Produzentinnen oder Regisseurinnen mit einem weißen Band erscheinen, sondern auch viele ihrer männlichen Kollegen.
#MaintenantOnAgit: Frankreichs Frauen wehren sich gegen sexuelle Belästigung
Die Pariser Tageszeitung "Libération" veröffentlichte den Aufruf der Initiative #MaintenantOnAgit am Dienstag (27.02.2018) als Titelgeschichte.
Auf einem Foto sind einige der Initiatorinnen abgebildet: die Schauspielerinnen Anne-Élisabeth Blateau, Baya Kasmi, Sabrina Ouazani oder auch die Sängerin Léa Castel. Gemeinsam mit mehr als 130 französischen Künstlerinnen unterstützen sie die "Fondation des femmes", eine Stiftung für Opfer sexueller Gewalt. Mit Hilfe des Hashtags #MaintenantOnAgit rufen sie im Internet zu Spenden auf und hoffen, insgesamt eine Million Euro zu sammeln, um Missbrauchsopfer zu unterstützen. Auf Twitter veröffentlichte die "Fondation des femmes" einen kämpferischen Aufruf: "Lasst uns zusammen alle diejenigen unterstützen, die sich konkret dafür einsetzen, dass niemals mehr jemand sagen muss:#MeToo".
"Wir haben gelitten, durchgehalten, geschwiegen, geweint, rausgerufen, angeprangert, uns zusammengeschlossen, polemisiert", heißt es in einem Teaser zu ihrer Spendenaktion. "Jetzt handeln wir!"
Spenden für juristische Betreuung
Die Spenden sollen an vier Initiativen fließen, die Missbrauchs- und Gewaltopfern juristischen Beistand leisten.
"Es ist an der Zeit, etwas zu unternehmen", betonte Anne-Cécile-Mailfert, Mitinitiatorin von "Fondation des femmes", im Interview mit der französischen Tageszeitung Libération. Laut einer Statistik des französischen Innenministeriums von Ende Januar 2018 seien die Angriffe auf Frauen in Frankreich 2017 um 12 Prozent gestiegen. Die Idee von #MaintenantOnAgit sei es, die Frauen zu ermutigen, Missbrauch anzuzeigen. "Eine von fünf Frauen ist Opfer von Belästigung am Arbeitsplatz, doch es gibt in ganz Frankreich nur fünf Juristen, die sich auf dieses Feld spezialisiert haben", so Mailfert. Durch die Solidaritätsbekundungen französischer Stars der Film- und Unterhaltungsbranche hofft sie, die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Die Stiftung arbeite außerdem eng mit der Anwaltskammer von Paris zusammen, um die Aktion "Gleichheit herrscht das ganze Jahr" zu gründen. Vom 8. März an sollen sich 365 Anwälte um die Fälle von 365 Frauen kümmern.
Proteste über die sozialen Netzwerke weiten sich aus
Bereits im Oktober 2017 gründete die in New York lebende französische Journalistin Sandra Muller die Initiative #BalanceTonPorc, "Verpfeif Dein Schwein". Unter dem Hashtag fordert sie dazu auf, dass Betroffene, die während ihrer Arbeit sexuell belästigt wurden, öffentlich ihre Geschichte erzählen und Namen nennen. Auch diese Aktion ist eine Folge des Vergewaltigungsskandals um denUS-Filmmogul Harvey Weinstein. Nachdem der Regisseur von der Oskar-Akademie ausgeschlossen wurde, forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dass Weinstein die höchste französische Auszeichnung entzogen werden sollte; Macrons Vorgänger, Nicolas Sarkozy, hatte Weinstein zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
Unterstützung aus den USA
Auch US-amerikanische Schauspielerinnen wie Rose McGowan, die als eine der ersten Schauspielerinnen Belästigungsvorwürfe gegen Harvey Weinstein erhoben und damit den Skandal um den Regisseur ins Rollen gebracht hatte, solidarisiert sich mit der französischen Initiative #MaintenantOnAgit.
Die französische Staatssekretärin, Marlene Schiappa, zuständig für die Gleichstellung von Mann und Frau, freut sich in einem Tweet über das Engagement ihrer Landsleute. Die Welt des Kinos habe etwas Positives und Inspirierendes, schreibt sie. Wenn sich Schauspieler und Schauspielerinnen engagierten, sei dies eine große Geste der Solidarität mit den Frauen.
Es handele sich um mehr als einen Spendenaufruf, es sei ein "mächtiges Signal", so Schiappa weiter. In den USA hat die Popularität der Filmschaffenden immerhin eine Summe von gut 13 Millionen Dollar (rund elf Millionen Euro) zusammengebracht.