Magere Bilanz
2. November 2006Eine neue Welt-Internet-Ordnung stand zur Debatte. Über 1500 Experten von Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft kamen nach Athen, um sich über Sicherheit, Vielfalt und Zugangsversorgung im Netz auszutauschen. Am Donnerstag (2.11.2006) endete das allererste "Internet Governance Forum" (IGF). Konkrete Entscheidungen wurden in den vier Tagen allerdings nicht getroffen und auch nicht erwartet.
"Vater des Internets"
Zunächst einmal ging es darum, dass alle zusammenkamen und laut über eine künftige Netzregulierung nachdachten. Prominenter Gast: Der US-Amerikaner Vinton Cerf, der als "Vater des Internets" bezeichnet wird. Seiner Ansicht nach müsste im Internet einiges geregelt werden: Rechtsmissbrauch, Cyber-Kriminalität, Spam-Mails, Belästigung oder die Verletzung des Urheber- und Persönlichkeitsrechts. "Wir müssen alle diese Probleme angehen, und zu diesem Zweck brauchen wir eine staatsübergreifende Zusammenarbeit oder sogar neue internationale Verträge. Zum Beispiel einen rechtlichen Rahmen, der die Gültigkeit der digitalen Unterschrift behandelt", sagte Cerf.
Cerf ist Mathematiker, Informatiker, Vordenker des Internets und Leiter der US-Behörde ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), die immer noch die Aufsicht über das weltweite Netz innehat. In Amerika ist Cerf eine Kultfigur der neuen, digitalen Welt. In Europa wird die amerikanische Dominanz allerdings mit Skepsis beobachtet.
Neues Gesetz über die ICAAN-Aufgaben
Nimmt Vinton Cerf selber die Meinungsunterschiede zwischen Europa und Amerika wahr? Im Moment nicht so sehr, meint er. "Vor einiger Zeit waren die Europäer richtig nervös, würde ich sagen. Zum Beispiel wegen der Sonderbeziehung zwischen ICANN und der US-Regierung, schließlich wurde unsere Behörde von der Regierung gegründet." Allerdings gilt seit September ein neues Gesetz und dadurch wird ICANN vom US-Handelsministerium deutlich distanziert. "Nicht die Regierung, sondern unser eigener Vorstand bestimmt nunmehr die Aufgaben von ICANN", erklärt der ICAAN-Chef.
Der Trend geht hin zu mehr Sicherheit im Netz. Russland und Brasilien fordern sogar eine künftige internationale Netzverwaltung. Die Privatwirtschaft kümmert sich eher um den Schutz des Urheberrechts. Ob die Welt tatsächlich eine strengere Internet-Aufsicht braucht, blieb auch in Athen höchst umstritten. Schließlich ist das Netz gerade deswegen so faszinierend, weil es fast keine Grenzen kennt.
"Keine absolute Freiheit, kein absolutes Recht"
Mary Wong, Professorin für Privatrecht am "Franklin Pierce Law Center" im US-amerikanischen New Hampshire, plädiert für eine Güterabwägung: "Wenn wir über das Internet sprechen, dann dürfen wir eins nicht vergessen: Es gibt keine absolute Freiheit und auch kein absolutes Recht." Es gehe aber darum, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden zu finden. Sie hat ein Beispiel parat: "Wie oft darf man einen Inhalt kopieren? Es ist doch ein großer Unterschied, ob ich einen direkten Link auf einen Song für alle Internet-User setze oder nur einen Online-Zeitungsartikel für meine eigene Recherche kopiere."
Das IGF wurde auf dem 2.Weltgipfel zur Informationsgesellschaft 2005 in Tunis gegründet und soll als globales Diskussionsforum die Zukunft des Internets mitgestalten. Wenn es nach den Vereinten Nationen ginge, würde es in den nächsten Jahren jährlich stattfinden. Dass dort zukünftig rechtlich bindende Regelungen verabschiedet werden, ist unwahrscheinlich, denn dabei würden die USA wohl nicht mitmachen.