Frankreichs Präsident Macron kündigt Neuwahlen an
Veröffentlicht 9. Juni 2024Zuletzt aktualisiert 9. Juni 2024Er habe beschlossen, den Franzosen erneut "die Entscheidung über unsere parlamentarische Zukunft durch die Wahl zu überlassen", sagte Emmanuel Macron. "Diese Entscheidung ist ernst und schwer, aber sie ist vor allem ein Akt des Vertrauens", betonte Macron. Zugleich warnte er davor, dass der Aufstieg von Nationalisten eine Gefahr für Frankreich und Europa sei. "Ich habe Ihre Botschaft und Ihre Bedenken gehört und werde sie nicht unbeantwortet lassen", sagte er an die Wähler gerichtet. Die französische Nationalversammlung werde aufgelöst. Die vorgezogene Parlamentswahl solle am 30. Juni und 7. Juli stattfinden.
In Frankreich hatte die rechtsextreme Partei Rassemblement National Hochrechnungen zufolge die Europawahl klar gewonnen. Sie kommt auf mehr als 31 Prozent der Stimmen (2019: 23,3 Prozent), wie die Institute Ifop, Ipsos und OpinionWay mitteilten. Die Partei sammelte damit mehr als doppelt so viele Stimmen ein wie der Renaissance-Block von Präsident Macron, der auf rund 15 Prozent zurückfiel (2019: 22,4 Prozent).
Rechte auch in Österreich und in Italien vorn
Auch Österreich verzeichnet bei der Europawahl einen Rechtsruck. So liegt die rechtspopulistische FPÖ mit rund 27 Prozent an der Spitze. Die konservative ÖVP kommt auf 23,5 Prozent, die sozialdemokratische SPÖ auf 23 Prozent. Im Vergleich zur EU-Wahl 2019 hat die FPÖ damit rund 10 Prozentpunkte dazu gewonnen. Die Partei hatte im Wahlkampf unter dem Motto "EU-Wahnsinn stoppen" vielfach ihre EU-Skepsis betont und die EU im Ukraine-Konflikt als kriegstreibende Kraft dargestellt.
Ebenfalls Erfolge können die Rechtspopulisten in Italien feiern. Dort wird die rechtspopulistische Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stärkste Kraft bei den Europa-Wahlen. Laut Hochrechnungen gewinnt ihre Fratelli d'Italia rund 28 Prozent, gefolgt von der Mitte-Links-Partei PD mit 23,7 Prozent. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung kommt demnach auf 11,1 Prozent, die liberalkonservative Forza Italia auf 8,5 bis 10,5 Prozent, knapp vor der rechtsgerichteten Lega mit 8 bis 10 Prozent.
In Polen ist die pro-europäische Partei von Ministerpräsident Donald Tusk, die Bürgerplattform (PO), bei der Europawahl stärkste Kraft geworden. Nachwahlbefragungen zufolge kommt die Regierungspartei auf 38,2 Prozent der Stimmen und kann damit 21 Abgeordnete ins Europaparlament entsenden. Die frühere Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erzielte demnach 33,9 Prozent der Stimmen und sicherte sich 19 Mandate im EU-Parlament.
EVP bleibt stärkste Kraft
Insgesamt konnte sich bei der EU-Wahl das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der deutschen Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen durchsetzen. Die Europäische Volkspartei erringt voraussichtlich 189 Parlamentssitze, wie das EU-Parlament mitteilte. Somit kann die CDU-Politikerin trotz starker Zugewinne von Rechtsaußen-Parteien auf eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission hoffen. Insgesamt bleibt das klar proeuropäische Lager weiter das mit Abstand größte.
Nach ihrem Sieg bei der Europawahl beansprucht die EVP den Vorsitz der EU-Kommission. Amtsinhaberin Ursula von der Leyen soll demnach weitere fünf Jahre an der Spitze der mächtigen Brüsseler Behörde stehen. Der Gewinner der Wahl habe das Recht, den Kommissionspräsidenten zu stellen, sagte EVP-Chef Manfred Weber (CSU).
Von der Leyen will "Bollwerk gegen Extreme"
Die 65-Jährige von der Leyen ist Spitzenkandidatin der EVP um CDU und CSU. Sie feierte das gute Abschneiden ihrer Parteienfamilie. "Heute ist ein guter Tag für die EVP. Wir haben die Europawahlen gewonnen, meine Freunde", sagte sie in Brüssel. Von der Leyen betonte, dass sie gemeinsam mit anderen Parteien "ein Bollwerk gegen die Extreme von links und von rechts" bilden wolle.
Nach der EVP kommen die Sozialdemokraten, zu denen auch die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz gehört, mit 135 Sitzen auf den zweiten Platz. Auf dem dritten Platz landet die liberale Fraktion Renew Europe mit 80 Sitzen.
Zugewinne bei der EU-Wahl verbuchen EU-kritische und rechte Parteien. Die nationalkonservative EKR kommt auf 72 Sitze, die rechtsextreme ID-Fraktion auf 58. Die Grünen verlieren hingegen und kommen voraussichtlich auf 52 Stimmen. Das EU-Parlament hat insgesamt 720 Sitze.
Die Europawahl stand unter dem Eindruck der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen. Sorgen bereiten vielen Wählerinnen und Wählern auch der Klimawandel, die soziale Sicherheit sowie die Migration. Insgesamt waren mehr als 360 Millionen Europäer zur Stimmabgabe aufgerufen, um 720 Mitglieder des Europäischen Parlaments zu bestimmen.
haz/kle (afp, dpa, rtr, ape)