Macron laufen die Abgeordneten davon
26. Mai 2020Der Verlust an Parlamentariern bei der Partei La République en Marche (LREM, die Republik in Bewegung) ist ein bereits länger anhaltender Prozess. Nach der Wahl der Nationalversammlung im Juni 2017 kam die von Präsident Emmanuel Macron gegründete Partei auf 314 der 577 Sitze. Aktuell hat die LREM nur noch 281 Sitze - acht weniger als die absolute Mehrheit von 289 Sitzen, die die Partei allerdings schon nach der Abspaltung in der vergangenen Woche verloren hatte.
Noch hat Macron genügend Verbündete
Die jüngsten Abgänge sind wohl eine Konsequenz aus Macrons umstrittenen Kurs in der Corona-Krise. In den Monaten vor der Pandemie hatten sich Abgeordnete von der LREM vor allem abgewendet, weil sie unzufrieden mit der wirtschaftsfreundlichen Politik Macrons und seinem starken Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Nationalversammlung waren.
Der Präsident kann allerdings weiterhin auf die Unterstützung der verbündeten Liberalen (MoDem) und der gemäßigten Konservativen (Agir) rechnen, um Gesetzespläne durchzubringen. Doch das Schrumpfen der Präsidenten-Fraktion in der Nationalversammlung bleibt Symbol der Schwächung Macrons.
Der an diesem Dienstag neu gegründeten Fraktion "Agir Ensemble" (Gemeinsam handeln) haben sich insgesamt 17 Abgeordnete angeschlossen. Sie stammen mehrheitlich aus dem Mitte-Rechts-Lager sowie aus Macrons Partei LREM. Olivier Becht, Vorsitzender der neuen Fraktion, kündigte an, man wolle "konstruktiv" mit Macrons Partei zusammenarbeiten und Gesetzesprojekte wahlweise unterstützen.
Die vor einer Woche bei LREM ausgeschiedene Gruppe von Parlamentariern hatte sich der neuen linken Fraktion "Ecologie Démocratie Solidarité" angeschlossen. Sie fordert von Macron massive Investitionen in das angeschlagene Gesundheitssystem und mehr Engagement für Umwelt und Soziales.
Macron selbst hat bereits angekündigt, dass er Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen will. Die Regierung stellte zu Wochenbeginn höhere Gehälter für das Krankenhauspersonal und eine Nachbesserung der Gesundheitsreform in Aussicht, mit der das Milliardendefizit der Kliniken abgebaut werden soll.
Viele Wähler lasten dem Präsidenten die mehr als 28.400 Corona-Todesopfer in Frankreich und den Wirtschaftseinbruch an. Laut einer neuen Odoxa-Umfrage halten ihn nur noch 35 Prozent für einen "guten Präsidenten" - sieben Prozent weniger als vor einem Monat.
qu/se (afp, dpa)