Macron in Osteuropa: Ran ans Eingemachte
23. August 2017Warschau und Budapest sind nicht dabei. Frankreichs Präsident Macron redet am Mittwochabend in Salzburg mit den Ministerpräsidenten Tschechiens und der Slowakei, danach reist er noch nach Rumänien und Bulgarien. Die osteuropäischen Länder Polen und Ungarn sucht man allerdings vergeblich auf der präsidialen Agenda dieser Tage. Und das scheint innenpolitisches Kalkül zu sein.
Im präsidialen Werkzeugkasten holt Emmanuel Macron diesmal nicht den großen, einenden Staatsmann heraus. Das Ziel seiner Ost-Tour ist weniger, aus Europa-müden Osteuropäern glühende EU-Fans zu machen. Daher kein großes historisches Besteck, kein Streit mit dem ungarischen Premier Viktor Orban, keine strenge Stippvisite bei der polnischen Regierungschefin Beata Szydlo. Der Präsident suche schlicht den Kontakt zu jenen osteuropäischen Staaten, die "Lust auf die EU und ihre Vertiefung" hätten, heißt es aus dem Elysée-Palast dazu nur knapp.
Nach Prag und Bratislava reist er als französischer Staatsmann. Französisch großgeschrieben. Es geht um Wahlkampfversprechen, um die EU-Entsenderichtlinie. Was hölzern klingt, ist ein hochemotionales Thema zwischen Ost- und Westeuropa. Vor allem die Franzosen - ob ganz links, Mitte oder rechts - sind schlecht zu sprechen auf die europaweite Vereinbarung zur grenzüberschreitenden Erbringungen von Dienstleistungen.
Aus Sicht der französischen Gewerkschaft CGT (Conféderation générale du travail) ist diese zu großem Teil Schuld am Sozialdumping. Entsandte Arbeiter aus dem Osten verdrängten Franzosen vom heimischen Arbeitsmarkt, so die gängige Klage. Betroffen seien laut der CGT vor allem Branchen wie das Baugewerbe, Schlachtbetriebe, Gebäudereinigung und der Pflegebereich.
Ausländische Arbeiter schneller nach Hause
Frankreichs Arbeitslosenquote ist mit 9,6 zwar knapp unter die zehn Prozent im vergangenen Herbst gerutscht, aber bei dem Wort Arbeitsmarkt drücken alle den Rücken durch. Frankreichs neue Regierung hat deshalb nicht vor, Zeit zu verlieren. Emmanuel Macron will die Regeln für ausländische Arbeiter im eigenen Land verschärfen. EU-Ausländer müssten dann nach gleichen Bedingungen beschäftigt werden wie inländische. Demnach sollte für diese Arbeiter dann der Tariflohn gelten, nicht mehr nur der Mindestlohn.
Eine weitere aus Sicht des Elysée-Palasts notwendige Novelle: Die Entsendedauer. Derzeit muss ein entsandter Arbeiter nach 36 Monaten in seinen ursprünglichen EU-Mitgliedsstaat zurückkehren. Brüssel arbeitet bereits an einem Vorschlag, der maximal nur noch 24 Monate vorsieht. Dem französischen Präsidenten ist dies immer noch zu lange, er wirbt für eine maximale Verweildauer von einem Jahr für entsandte Arbeiter.
Er wolle ein "Europa, das die Bürger besser schützt", so ein Kernpunkt seines Wahlkampfes, "Wir kämpfen gegen den Missbrauch im Sektor der entsandten Arbeiter und müssen die Regeln in unserem Land dafür neu definieren, um Schluss zu machen mit jeder Form von unlauterem Wettbewerb", so Macron im März dieses Jahres. Jetzt will er liefern.
Test für Macron
Aber dazu muss er auf Tuchfühlung gehen mit dem Osten. Für das sensible Thema braucht er direkte Ansprechpartner in Tschechien und der Slowakei, genauso wie in Rumänien und Bulgarien. Denn derzeit gibt es für sein Ansinnen ordentlich politischen Gegenwind. "Frankreich hat Vorschläge vorgelegt, die nach unserer Auffassung eindeutig zu weit gehen", ließ etwa die tschechische Arbeitsministerin Michaela Marksova bereits im Juni wissen. Sie steht mit ihrer Haltung nicht alleine da. Im vergangenen Jahr beschwerten sich zehn mittel- und osteuropäische Parlamente bei der EU-Kommission, die umstrittene Verschärfung sei eine protektionistische Maßnahme, zum Nachteil entsandter Arbeiter.
Für Präsident Macron ist der Streit um die EU-Entsenderichtlinie ein erster Test, wie viel politische Macht die Europäer gewillt sind, ihm zuzubilligen. Ob es dabei besonders klug ist, die Osteuropäer zu ärgern und gerade EU-Länder wie Polen links liegen zu lassen, sei dahingestellt. Polen steht mit fast einer halben Million Arbeitern an der Spitze der Entsendungen, da hätte sich ein Gespräch mit Warschau durchaus gelohnt.