Mackenzie Arnold bringt Australien ins WM-Halbfinale
12. August 2023Es war 120 Minuten lang ein Schachspiel: Frankreichs Nationaltrainer Herve Renard in Weiß, das Hemd bis zur Brust aufgeknöpft. Australiens Coach Tony Gustavsson in Schwarz, die Baseballkappe fest auf dem Kopf. Beide Trainer versuchten, die Figuren auf dem Brett nach ihren Vorstellungen zu bewegen, die Kräfte wechselten sich in einem engen Spiel immer wieder ab. Das Tempo im dritten von vier Viertelfinalspielen der Fußball-WM war hoch, der Einsatz auch - es ging heftig hin und her. Aber zu diesem Zeitpunkt im K.o.-System ist die Arbeit der Trainer weitgehend erledigt. Es liegt an den Spielerinnen, die Kontrolle zu behalten und selbst Verantwortung zu übernehmen.
Mackenzie Arnold: nervenstark und fokussiert
Am Ende war es dann eine Lotterie, die die Entscheidung brachte - allerdings eine mit 20 Durchgängen. Zehn Schützinnen mussten pro Team im Elfmeterschießen antreten, bevor es einen Sieger gab - ein Nervenspiel, dass so manche Akteurin an die Grenzen der psychischen Belastbarkeit brachte. Die gesamte Zeit über völlig ruhig und fokussiert wirkte Mackenzie Arnold, die Torfrau der Australierinnen, die sich als entscheidende Figur auf dem Schachbrett entpuppte.
"Ein Wort für Mackenzie: MVP", sagte Mittelfeldspielerin Emily van Egmond der DW, als sie nach Worten suchte. "Sie war enorm wichtig für uns, wir wissen immer, dass sie in solchen Momenten für uns groß rauskommt. Sie ist unglaublich gut im Elfmeterschießen und hatte bisher ein unglaubliches Turnier."
Nachdem sie den Versuch der fünften französischen Schützin, Eve Perisset, mit einer tollen Parade an den Pfosten gelenkt hatte, hätte Arnold das Spiel selbst entscheiden können - als Torschützin. Sie trat an, verlud die französische Torfrau und hob den Ball in Richtung der völlig freien rechten Torseite - traf aber nur den Pfosten und der Krimi ging weiter.
Courtnee Vine: "Es war so laut"
Nervenschwache Menschen wären nach einem solchen Rückschlag unter Umständen zusammengebrochen. Arnold dagegen ließ sich nicht beirren und machte stoisch weiter. Gegen Kenza Dali, die achte Französin, die antrat, hielt sie erneut. Allerdings musste der Elfmeter wiederholt werden, weil Arnold sich zu früh von der Linie bewegt hatte. Dali schoss erneut - und wieder parierte Arnold. Drei Strafstöße später war die Entscheidung gefallen: Nachdem Frankreichs Vicki Becho nur den Pfosten traf, versenkte Cortnee Vine den 20. und letzten Elfer und das ohnehin schon laute Stadion in Brisbane verwandelte sich endgültig in eine gelbe Partyzone.
"Das war ein Wechselbad der Gefühle, aber ich bin einfach nur froh, dass ich meinen Job machen konnte und die Mädchen über die Linie gebracht habe", sagte Arnold. "Zu sehen, wie sich das Team um mich geschart hat, als ich den Elfmeter verschoss hatte, macht mich so glücklich, Teil dieses Teams zu sein und so stolz, Australierin zu sein."
"Das war der Wahnsinn. Es gab ein paar Momente in den letzten Minuten der Verlängerung, die waren einfach so laut", sagte Vine. "Es war so schwer zu denken. Aber es war unwirklich, und das australische Publikum hat uns so lautstark unterstützt. Und ich hoffe, dass sie auch weiterhin so laut sein werden."
Australien als zwölfter Mann
"Wie viel Herzblut und Leidenschaft diese Mannschaft heute Abend gezeigt hat", sagte Coach Tony Gustavsson nach dem Spiel. "Es gibt verschiedene Arten, Erfolg zu definieren, aber für mich ist Erfolg, wenn man alles gibt, egal wie das Ergebnis aussieht, mit dem Herzen spielt und mit dem Wappen auf der Brust sein Bestes gibt, und das haben die Spieler heute Abend getan."
Die erste Spielerin, die er nach dem Schlusspfiff umarmte, nachdem er zunächst auf den Boden gesunken war und sich einen Moment Zeit für sich genommen hatte, war Mackenzie Arnold. "Ich bin überwältigt, ich habe noch gar nicht richtig verarbeitet, was passiert ist", sagte Arnold. "Australien war unser zwölfter Mann in diesem Turnier. Wir haben sie in diesem Spiel wirklich gebraucht, und sie haben sich heute Abend für uns eingesetzt."
Unbedingter Wille
Arnold und die anderen "Matildas" sind voller Überzeugung, dass ihre Reise durch das Turnier noch weitergehen kann, auch im Halbfinale gegen Europameister England. "Wenn man den Glauben und den Geist hat, den wir haben, und wenn man füreinander kämpft und bereit ist, zu rennen und zu arbeiten und sich gegenseitig den Weg zu ebnen und sich gegenseitig zu helfen, dann kommt es manchmal darauf an, wer es am meisten will", sagte Abwehrspielerin Steph Catley der DW. "Und ich kann jetzt schon sagen, dass jede einzelne Spielerin in unserem Team das will. 100 Prozent, ohne den geringsten Zweifel. Also werden wir weiterkämpfen, weiter füreinander da sein, weiter für Aufsehen sorgen."
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.