Machtwechsel in Chile
11. März 2010Zum ersten Mal seit 1958 ist die Rechte in Chile wieder durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen. Sebastián Piñera hatte sich in der Stichwahl um das Präsidentenamt am 17. Januar mit knapp 52 Prozent gegen den Kandidaten des Regierungsbündnisses, den Christdemokraten Eduardo Frei, durchgesetzt. Damit endet auch die 20-jährige Regierungszeit des Mitte-Links-Bündnisses Concertación, das nach dem Ende der Militärdiktatur die Rückkehr Chiles zur Demokratie vollzogen hat.
Sebastián Piñera steht an der Spitze eines rechten Parteienbündnisses, dem die Mitte-Rechts-Partei der Nationalen Erneuerung (Renovación Nacional), die rechte Unabhängige Demokratische Union (UDI) sowie die neu gegründete sozialliberale Bewegung "Chile zuerst" angehören. Piñera hatte sich bereits im Wahlkampf versucht, von Pinochet-Anhängern im rechten Lager zu distanzieren. Eine Mitarbeit von früheren Anhängern der Militärdiktatur in seiner Regierung schloss er aber nicht aus. Die Tatsache, dass jemand für eine Regierung gearbeitet hat, sei "keine Sünde und kein Verbrechen. Das gilt auch für eine Militärregierung", so sein Credo.
Wahlversprechen von der Wirklichkeit kassiert
Piñera hatte den Chilenen die Schaffung von einer Million neuer Arbeitsplätze versprochen. Den wirtschaftsliberalen Kurs der Vorgängerregierungen wolle er fortsetzen und mit Steuersenkungen das Wachstum ankurbeln. Nach dem Erdbeben vom 27. Februar, das mit einer Stärke von 8,8 weite Teile Südchiles zerstört hat, hat sich Piñera jetzt vorrangig um das Krisenmanagement und die Schadensbewältigung zu kümmern. Nach offiziellen Angaben sind bei dem Beben 497 Menschen ums Leben gekommen. Der Schaden an zerstörter Infrastruktur wird auf 4,8 Milliarden Dollar geschätzt. Die ersten drei Jahre seiner vierjährigen Regierungszeit werden der Beseitigung der Erdbebenschäden dienen, so Piñera vor der Amtsübernahme.
Der Notstand in den am schlimmsten betroffenen Gebieten werde vorerst aufrecht erhalten und gegebenenfalls auch auf weitere Gebiete ausgeweitet, hieß es aus Piñeras Umfeld. Der neue Präsident will das Militär in den Katastrophenschutz stärker einbeziehen. Dabei wehrte er sich gegen Kritik, er würde die Rolle des Militärs in Chile wieder aufwerten. Nur die Streitkräfte würden über die nötige Logistik und qualifiziertes Personal für die Aufgaben in den Katastrophengebieten verfügen, sagte Piñera.
Außenpolitisch will Piñera vor allem die Beziehungen zu den lateinamerikanischen Nachbarstaaten vertiefen und ausbauen – mit dem erklärten Ziel, die Märkte der Region für chilenische Investitionen zu öffnen. Mit Blick auf Bolivien und Argentinien hat der neue Präsident angekündigt, "Differenzen im Dialog zu lösen und nicht mit Beleidigungen geschweige denn mit Gewalt."
Die Riege der Millionäre
Sebastián Piñera ist einer der reichsten Männer Chiles. Das US-Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 1,2 Milliarden Dollar. Er ist Hauptaktionär der Fluggesellschaft LAN, Eigentümer eines Fernsehsenders sowie des populärsten und erfolgreichsten Fußballclubs des Landes, Colo Colo. Im Vorfeld seiner Amtsübernahme hatte Piñera sich von einem Teil seines LAN-Aktienpaketes getrennt und sich aus dem Colo-Colo-Vorstand zurückgezogen.
Piñera hat bisher 40 Minister und Staatssekretäre ernannt. Die meisten von ihnen haben einen ähnlichen Werdegang wie das neues Staatsoberhaupt selbst. Sie stammen aus der Oberschicht, sind überwiegend Absolventen der konservativen katholischen Universität von Santiago, die für ihre neoliberalen Standpunkte bekannt ist. Viele der künftigen Regierungsmitglieder sind über erfolgreiche Karrieren in der Privatwirtschaft zur Politik gekommen. Ein beliebter chilenischer Fernsehkommentator sagte vorige Woche zu der neuen Regierungsmannschaft. "Nun haben sich die Eigentümer Chiles entschlossen, das Land auch gleich selbst zu verwalten."
Bachelet ist beliebteste Präsidentin Chiles
Michelle Bachelet scheidet mit hohen Zustimmungswerten aus dem Amt. Ungeachtet der Kritik am Krisenmanagement der Regierung nach dem Erdbeben zeigten sich in letzten Umfragen 84% der Chilenen mit ihrer vierjährigen Amtszeit zufrieden.
In ihrer Abschiedsrede betonte die scheidende Präsidentin, sie sei stolz darauf, "einer Regierung vorgestanden zu haben, die bedeutende Verbesserungen im Bereich der sozialen Gerechtigkeit erreicht hat." Dank dieses Fortschritts "übergeben wir der neuen Regierung ein politisch, sozial und wirtschaftlich stabiles, gerechteres und solidarisches Land, das international respektiert wird und deren Institutionen große Glaubwürdigkeit genießen."
Piñera übernimmt von seiner Amtsvorgängerin einen soliden Staatshaushalt mit Reserven in Höhe von 14 Milliarden Dollar. Die chilenische Zentralbank geht davon aus, dass das Land in diesem Jahr, trotz der Erdbebenschäden, ein Wirtschaftswachstum von 4,5% erreichen wird.
Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Oliver Pieper