Machtwechsel im Jemen
7. April 2022Der Jemen soll künftig von einem präsidialen Führungsrat regiert werden. Der Präsident der international anerkannten Regierung des Jemen hat seine Macht überraschend an einen neu gegründeten "Präsidialrat" abgegeben. "Ich übertrage diesem Präsidialrat unwiderruflich meine vollen Befugnisse", sagte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung - also zu Beginn des letzten Tages von Friedensgesprächen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Bei diesen Gesprächen ist allerdings eine Konfliktpartei nicht dabei: die Huthi-Rebellen, die den Jemen 2014 überrannt hatten.
Der neue Rat solle das Land übergangsweise führen und mit den Huthi-Rebellen auch über eine "endgültige und umfassende" Lösung des jahrelangen Bürgerkriegs verhandeln. Der sogenannte "präsidiale Führungsrat" solle den Jemen politisch, militärisch und mit Blick auf Sicherheitsfragen für eine "Übergangszeit" leiten, heißt es im Dekret. Damit komme er einer Initiative des aus sechs Mitgliedern bestehenden Golf-Kooperationsrates aus dem Jahr 2011 nach, erklärte Hadi.
"Folgenreichste Veränderung seit Beginn des Krieges"
Das Mandat des Rats soll auslaufen, wenn "vollständiger Frieden" im Land wiederhergestellt ist. Der Gremium, das nun den Jemen regieren wird, soll aus acht Mitgliedern bestehen und von Raschad al-Alimi geleitet werden, einem ehemaligen Innenminister und Berater von Hadi. Er hat die Unterstützung Saudi-Arabiens.
Es handle sich um die "folgenreichste Veränderung in der inneren Struktur des Anti-Huthi-Blocks seit Beginn des Krieges", so die Analyse des Jemen-Experten der International Crisis Group, Peter Salisbury. Innerhalb der Koalition, die im Jemen gegen die Huthi-Rebellen kämpft, hatte es immer wieder Streit gegeben. Nun gibt es Hoffnung, dass diese Konfliktpartei bei künftigen Verhandlungen mit den Huthis geeinter auftreten könnte.
Im Jemen herrscht seit 2015 Krieg zwischen den von arabischen Staaten unterstützten Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und den Huthi-Rebellen. Er ist auch zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran geworden. Während der Iran die schiitischen Huthi-Rebellen unterstützt, führt Saudi-Arabien eine Gruppe sunnitisch geprägter Golf-Staaten an.
Der Krieg hat das stark verarmte Land zermürbt. In dem Konflikt wurden nach UN-Angaben bereits rund 380.000 Menschen getötet, Millionen weitere mussten flüchten. Die UNO betrachtet die Krise im Jemen als größte humanitäre Katastrophe weltweit.
Hoffnung auf Entspannung
Zuletzt gab es Hoffnung auf eine zumindest vorübergehende Entspannung des Konflikts. Am Samstag trat zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan eine Waffenruhe in Kraft - die erste landesweite Feuerpause seit 2016. Die Gewalt ging nach UN-Angaben seitdem deutlich zurück.
Hadi ist seit 2012 im Amt, erwies sich aber als zu schwach, um das vielfach gespaltene Land zusammenzuhalten. Während des Vormarschs der Huthis floh er ins Exil nach Riad. Kritiker betrachten ihn als eine Marionette von Saudi-Arabiens Militärbündnis, das immer wieder erklärt, nur auf Anfrage der Hadi-Regierung im Jemen zu kämpfen.
Zugleich war der international anerkannte Präsident ein letztes Symbol staatlicher Legitimität im Jemen. Die Gründung eines Präsidialrats, eine Art kollektives Staatsoberhaupt, gilt nun jedoch als möglicher Weg zu einer politischen Lösung des Kriegs. In dem Land auf der Arabischen Halbinsel gab es solch einen Rat in vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach.
AR/cw (afp, dpa, rtr)