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Machtkampf in Bangladesch

Ana Lehmann26. November 2013

Je näher die Wahlen rücken, desto unruhiger wird die Lage in Bangladesch. Die Opposition wehrt sich mit Generalstreiks, Kundgebungen und Gewalt gegen die von der Regierung geplante Allparteien-Übergangsregierung.

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Polizisten stehen Wache während des Generalstreiks in Bangladesch (Foto:AP)
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Lastwagenfahrer aus der südlichen Hafenstadt Chittagong bezahlte seine Arbeitsbereitschaft mit dem Leben. Er wurde umgebracht, weil er nicht streiken wollte, so die Polizei. Ende Oktober hatte die größte Oppositionspartei Bangladeschs, die "Bangladesch Nationalist Party" (BNP), zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen, der wochenlang andauerte und vielerorts in Gewalt umschlug. Im ganzen Land gingen BNP-Anhänger auf die Straßen, steckten Dutzende Fahrzeuge in Brand und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mehr als 20 Menschen kamen ums Leben. Die Regierung nahm schließlich drei Anführer der BNP wegen Anstachelung zur Gewalt in Gewahrsam.

"Zur Zeit ist die Situation sehr angespannt", bestätigt Imtiaz Ahmed, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Dhaka. Die regierende Awami Liga (AL) und die BNP sind uneins über die Gestaltung einer Übergangsregierung, die die Parlamentswahlen vorbereiten soll. Sie sollen am 05. Januar stattfinden. Nachdem der Wahltermin Mitte November bekannt wurde, reagierten Anhänger der Opposition mit Gewalt. Mehrere Menschen sind seither bei Ausschreitungen ums Leben gekommen.

Politische Spaltung

Die Opposition betrachtet die amtierende Regierung als "illegal" und fordert eine neutrale Experten-Übergangsregierung. Regierungschefin Sheikh Hasina verweist darauf, dass das Gesetz, das die Einsetzung einer solchen Expertenregierung vor der Wahl vorschrieb, abgeschafft sei. Es habe in der Vergangenheit dem Militär ermöglicht, einzugreifen und die Macht zu übernehmen. Die Regierungschefin will zur Vorbereitung dieser Wahlen eine Allparteien-Regierung unter ihrem Vorsitz einsetzen.

Rauch quillt aus einem brennenden Bus in Bangladesch (Foto: REUTERS/Mahmud Opu)
Brennender Bus: Gewaltausbrüche begleiteten den landesweiten GeneralstreikBild: Reuters

Doch die BNP lehne diesen Plan ab, sagt Imtiaz Ahmed: "Die Opposition sagt, wir können euch nicht vertrauen. Ihr habt die Behörden, die Polizei, das Justizwesen und auch die Wahlkommission so weitreichend mit euren Anhängern durchsetzt, dass ihr keine neutrale Vorbereitung der Wahlen gewährleisten könnt."

Die Parteienlandschaft ist gespalten und geprägt von der unversöhnlichen Feindschaft der beiden Führerinnen der Hauptparteien, Sheikh Hasina (Awami League) und Khaleda Zia (BNP), die sich schon seit Jahrzehnten als Regierungschefinnen mehrfach abgewechselt haben. "Egal, welche Partei gerade an der Regierung ist, sie marginalisiert die Opposition. Die setzt dann sämtliche Mittel ein, um sich gegen die Regierung zu behaupten", erklärt Jasmin Lorch, Wissenschaftlerin der Forschungsgruppe Globale Fragen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Protest auf die Straße verlagert

Mit Massenkundgebungen, gewalttätigen Auseinandersetzungen und Generalstreiks artikulieren die Oppositionsparteien ihren Protest gegen die Pläne der Regierung. "Die Opposition muss der Regierung ihre Muskeln zeigen, das kann sie nicht im Parlament sondern nur auf der Straße", erklärt Ahmed diesen politischen Mechanismus in Bangladesch. "Nun wartet die Regierungspartei ab, um zu sehen, wie stark die BNP ist. Wenn sie wirklich in der Lage ist, das öffentliche Leben lahmzulegen und viel Gewalt zu produzieren, dann wird die Awami-Liga zu einem Kompromiss bereit sein. Dann wird sie sagen, ja, wir haben die Botschaft verstanden, nun müssen wir einen Kompromiss finden."

BNP-Mitglieder in Polizeigewahrsam in Bangladesch(Foto:REUTERS)
Mitglieder der Oppositionspartei BNP mussten sich einer Anhörung wegen der Gewalt in den Straßen stellenBild: Reuters

Inzwischen sind alle Kabinettsminister zurückgetreten, um den Weg für die Allparteien-Übergangsregierung frei zu machen. Ahmed hofft, dass sich die Oppositionsparteien schließlich auf diese Lösung einlassen werden. Voraussetzung sei jedoch, dass die Kernfrage, nämlich wer den Vorsitz der Übergangsregierung übernehmen soll, in beidseitigem Einvernehmen gelöst wird. Sollte die Regierung allerdings weiterhin auf der Führung bestehen, dann werde die Gewalt in Bangladesch eskalieren, fürchtet er. Dann riskiere Sheikh Hasina, dass das Militär wieder einschreitet, "und dann wird die Situation noch weitaus chaotischer."

Gesellschaftliche Polarisierung

Die Regierung, die Ende 2008 mit großer Mehrheit gewählt worden war, hat inzwischen bei der Bevölkerung sehr an Unterstützung verloren. Die Frage, ob Bangladesch in die richtige Richtung gehe, hatten kurz nach Übernahme der Regierung noch 70 Prozent bejaht, heute sind es nur noch 40 Prozent. In vielen Wahlbezirken, die die Awami Liga 2009 noch für sich gewonnen hatte, liegt heute die BNP vorn.

Rivalinnen seit Jahrzehnten: Khaleda Zia (li.)und Sheikh Hasina(Foto: FARJANA K. GODHULY/AFP/Getty Images)
Rivalinnen seit Jahrzehnten: Khaleda Zia (li.)und Sheikh HasinaBild: Getty Images/AFP/FARJANA K. GODHULY

"Die Regierung hat in ihrer Amtszeit einige Erfolge vorzuweisen, sie hat die Volkswirtschaft des Landes gestärkt, die Lebensbedingungen der Menschen verbessert und auch im Bildungs- und Gesundheitsbereich große Fortschritte erzielt", sagt Dirk Saam, Referent für Entwicklungspolitik bei der Bangladesch-Organisation NETZ.

Doch mehrere Brandkatastrophen, der Einsturz einer Textilfabrik mit über tausend Toten sowie Streiks und Proteste wegen Arbeitsbedingungen und Mindestlohn in der Textilindustrie haben der Regierung zugesetzt und sie in die Kritik gebracht. Auch das Kriegsverbrechertribunal, das Sheikh Hasina auf Wunsch einer breiten Bevölkerungsmehrheit eingesetzt hatte, um die Verbrechen im Unabhängigkeitskrieg von Pakistan 1971 aufzuarbeiten, hat zu schweren sozialen Verwerfungen geführt. Im Zusammenhang mit dem Tribunal brachen Konflikte auf, die die Gesellschaft auch entlang religiöser Linien polarisierte.

Die wichtigsten Angeklagten gehören der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami an. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Unabhängigkeitskrieges vorgeworfen. Im Sommer trafen sich auf Initiative von Internetblogger wochenlang Hunderttausende Menschen auf der zentralen "Shabagh"-Kreuzung in der Hauptstadt Dhaka. Sie forderten die Todesstrafe für die Verurteilten und eine klarere Trennung von Staat und Religion. Die Islamisten reagierten wütend und stellten die Shabagh-Aktivisten als Islamfeinde dar. "Das hat eine große Kontroverse bewirkt, die die Regierung vor sich hertrieb", erklärt Dirk Saam: "Die regierende Awami-Liga musste zeigen, dass auch sie dagegen ist, dass die Gefühle der Muslime verletzt werden. So wurden Blogger verhaftet, die von den Islamisten als Atheisten bezeichnet worden waren."

Wunsch nach Veränderung

Hinter den Protesten der sogenannten Shabagh-Bewegung stecke jedoch viel mehr als nur eine Reaktion auf die Kriegsverbrecher-Urteile, meint der Bangladesch-Kenner. "Die Bewegung ist auch als Symptom der Unzufriedenheit mit existierenden politischen Machtstrukturen zu verstehen. Darunter waren viele Geschäftsleute, Akademiker, Ärzte, die alle eine politische Kultur einfordern, in der beruflicher Erfolg nicht mit Amtsmissbrauch, Korruption und parteipolitischer Zugehörigkeit einhergeht- eine politische Kultur also, die fernab davon Entfaltungsmöglichkeiten gewährt."

Demonstrierende Islamisten in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka (Foto: REUTERS/Andrew Biraj)
Wütende Islamisten protestierten gegen die säkulare Shabagh-BewegungBild: Reuters

Wenn sich Regierung und Opposition nun auf eine gemeinsame Linie zur Übergangsregierung einigen, wäre dies nach Ansicht der Experten ein erster wichtiger Schritt in Richtung einer solchen politischen Kultur.