1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Machtfaktor Öl

Peter Philipp 3. Januar 2003

Wenn es um den möglichen Irak-Krieg geht, nennt Washington offiziell Bagdads Rüstungsprogramm als Motiv. Kritiker behaupten, es ginge nur ums Öl. Tatsächlich ist auch das ein Grund. Peter Philipp kommentiert dies.

https://p.dw.com/p/362d

Für den irakischen Staatschef Saddam Hussein gilt es als ausgemachte Sache: US-Präsident George Bush betreibe in erster Linie deswegen die Vorbereitungen eines neuen Irak-Krieges, weil er als Freund und enger Verbündeter der amerikanischen Öl-Konzerne die irakischen Erdöl-Vorkommen unter seine Kontrolle bringen will - mit 112 Milliarden Barrel bisher bekannter Vorräte die zweitgrößten Reserven weltweit nach denen Saudi-Arabiens.

Öl unter US-Kontrolle

In Washington hat man solche Beschuldigungen bisher zwar meist zurückgewiesen, aber man bleibt gleichzeitig doch ziemlich wortkarg, wenn es um den Zusammenhang von Irak-Krieg und Erdöl geht. Aus Sicht der USA wahrscheinlich mit Recht, denn der eigene Erdölkonsum hängt nicht vom Irak ab, sondern in erster Linie von Saudi-Arabien. Und es ist ein Gebot der diplomatischen Taktik, nicht an die große Glocke zu hängen, dass eine Unterwerfung des Irak die Erdöl-Zufuhr oder -Interessen Russlands, Frankreichs, Chinas und auch Japans unter amerikanische Kontrolle bringen würde.

Dabei ist der Irak kein Fass, das nur angestochen zu werden braucht, damit das so genannte schwarze Gold ungehindert sprudeln kann: Durch den jahrelangen Krieg mit dem Iran und dann den Kuwait-Krieg wie auch die Sanktionen der Vereinten Nationen ist die irakische Petrochemie stark angeschlagen. Und es bedarf nach Expertenmeinung mindestens drei Jahre und einer Investition von etwa drei Milliarden Dollar, um sie wieder in Ordnung zu bringen.

Russland will auch mitspielen

Eine prominente Rolle beim Wiederaufbau der irakischen Erdöl-Industrie wollen die Russen spielen: Ihre Ölgesellschaft Lukoil schloss 1997 seinen größten Deal mit Bagdad ab, als sie Wiederaufbau- und Erschließungsprojekte im Wert von rund vier Milliarden Dollar vereinbarte. Hierbei geht es nicht nur um Profite, sondern auch um die Rückzahlung von Schulden in Höhe von bis zu zehn Milliarden Dollar, die Bagdad seit dem Iran-Krieg in Moskau hat. Vorläufig können die Russen dies jedoch vergessen: Weil sie sich wegen der Kriegsgefahr prophylaktisch mit irakischen Exilgruppen über eine Zusammenarbeit nach dem Sturz Saddam Husseins verständigten, annullierte dieser den Milliardenvertrag.

Offiziell spricht Bagdad von der Nichterfüllung des Vertrages durch Lukoil, und die Gesellschaft gibt dem Kreml wegen seiner zu pro-amerikanischen Politik einen Teil der Schuld. Washington soll Moskau - im Austausch mit politischem Wohlverhalten - bereits Zusagen für die Zeit nach Saddam Hussein gemacht haben. Dies wird natürlich nicht offiziell bestätigt. Es wäre aber ein Hinweis darauf, dass die USA mit der Kontrolle über den Irak nicht nur die Ölgeschäfte anderer Staaten kontrollieren, sondern auch deren internationales Verhalten diktieren könnten.

Saudi-Arabien in Ungnade

Ganz abgesehen davon, dass Washington künftig auch den Ölpreis diktieren könnte. Wenn es erst einmal die Produktion im Irak ankurbeln könnte, dann würde der Preis weltweit sinken, würde die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) machtlos und die Weltwirtschaft wieder anziehen. Zum Vorteil vor allem der USA und zum Nachteil besonders Saudi-Arabiens. Dieser bisher engste Verbündete Washingtons in der arabischen Welt ist seit einigen Monaten ins Fadenkreuz amerikanischer Kritik geraten: Riad unterstütze einige der schlimmsten Terrorgruppen weltweit und könne deswegen nicht länger als Freund betrachtet werden, hieß es aus Washingtoner Kreisen. Außerdem verweigere es sich den Amerikanern für den Fall eines Irak-Krieges.

Washington muss damit rechnen, dass Riad früher oder später zur Gegenoffensive übergeht: Mit dem Abzug seiner Öl-Milliarden aus den USA und der Reduzierung seiner Öl-Produktion. Eine amerikanische Kontrolle über den Irak würde zumindest letzteres wirkungslos machen.