Mach's gut, Tegel!
Boarding completed, crew prepare for take-off - diese Kommandos wird man ab dem 8. November auf dem Flughafen Berlin Tegel nicht mehr hören. Er wird stillgelegt. Eine Ära geht zu Ende.
Berlin Tegel TXL
"Zum Otto-Lilienthal-Flughafen bitte!", das wäre keinem Berliner über die Lippen gekommen. Obwohl das seit 1988 sein offizieller Name war, hieß er einfach Tegel, wie der Bezirk, in dem er liegt. 46 Jahre war er Berlins Tor zur Welt. Jetzt, da der neue Hauptstadtflughafen BER endlich mit acht Jahren Verspätung eröffnet, hat der tapfere, chronisch überlastete Flughafen in Berlins Norden ausgedient.
Tegels Herz: ein Sechseck
Tegel gilt als eine Ikone der Flughafenarchitektur. Entworfen 1965 von den damals noch unbekannten Architekten Gerkan, Marg und Partner (gmp), war er auf maximalen Service ausgelegt. Um eine schnell getaktete Abfertigung zu ermöglichen, ordneten sie die Gates rund um ein Sechseck an. Das Hexagon wurde zum Markenzeichen Tegels, der bald als der modernste Flughafen der Welt galt.
Klare Orientierung
Die Haupthalle mit ihren wenigen Geschäften war schnell durchschritten. Von hier wurden die Passagiere zu den Gates im Sechseck verteilt. Mit exakt zwei Möglichkeiten: Links herum oder rechts herum. Verlaufen unmöglich. Mit den Jahren kamen vier weitere Terminals dazu, um das steigende Passagieraufkommen zu bewältigen. Es half nichts, Tegel platzte zuletzt aus allen Nähten.
Deutschlands Nummer vier
Als internationaler Flughafen wurde Tegel gebraucht und intensiv genutzt. Nach Frankfurt, München und Düsseldorf stieg Tegel zur Nummer vier der deutschen Flughäfen auf. Geplant war der Flughafen für etwa drei Millionen Passagiere im Jahr. Zum Schluss stemmte er 24 Millionen. Schlange stehen für den Check-In oder bei der Gepäckausgabe wurden Normalität. Service? Ade!
Wie alles begann
Ohne den Kalten Krieg gäbe es Tegel wahrscheinlich nicht. Während der sowjetischen Blockade West-Berlins 1948-49 versorgten die Alliierten die Bevölkerung über eine Luftbrücke. Dieser Soldat feiert den 100.000 Flug. Die Flughäfen Tempelhof und Gatow reichten bald nicht mehr aus. So entstand im französischen Sektor Tegel ab August 1948 in nur 90 Tagen eine weitere Landebahn. Tegel war geboren.
Tegel: Tor zur westlichen Welt
Am 2. Januar 1960 nahm Tegel den zivilen Flugverkehr auf. Um West-Berlin anzufliegen, musste die DDR überflogen werden. Dafür wurden eigens Luftkorridore eingerichtet. Für die West-Berliner öffnete sich ein Tor zur Welt. New York, Paris, London waren plötzlich ganz nah. Schon am 30.06.1967 begrüßten Flugbegleiterinnen der französischen Fluglinie Air France den 25-millionsten Fluggast.
Sonderstatus
Während der Teilung Deutschlands durften nur die Fluglinien der westalliierten Besatzungsmächte von und nach West-Berlin fliegen. Also Air France (Foto), British Airways und die amerikanische Fluglinie Pan Am. Erst mit der Deutschen Wiedervereinigung 1990 erlosch dieser Sonderstatus und zum ersten Mal konnte auch die Deutsche Lufthansa Berlin anfliegen. Wieder ein historischer Moment.
Unvergessene Momente I
Neben dem zivilen Teil des Flughafens blieb der militärische Teil bestehen. Er war Staatsgästen und Mitgliedern der Bundesregierung vorbehalten. Legendär war der Besuch des 35. US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Juni 1963. Mit unbeschreiblichem Jubel war er von den Berlinern empfangen worden. Mit seinem Ausspruch: "Ich bin ein Berliner" eroberte er ihre Herzen.
Unvergessene Momente II
Wenn Staatsgäste wie die britische Königin Elizabeth II. anreisten, war das Protokoll gefragt. Roter Teppich, Ehrenspalier der Bundeswehr und 21 Schuss Salut. Die Queen war oft zu Gast in Tegel. Siebenmal besuchte sie Berlin, zuletzt im Jahr 2015. Auch ihr Sohn Charles, ihre Enkel William und Harry sowie deren 1997 verstorbene Mutter Prinzessin Diana schritten über den roten Teppich.
Unvergessene Momente III
Ganz Deutschland verfolgte 2014 die Heimkehr der Deutschen Nationalmannschaft nach ihrem WM-Sieg in Brasilien. Fans drängten sich auf der Besucherterrasse und auf dem Weg in die Stadt, der Mannschaftsflieger wurde von der Flughafenfeuerwehr mit Wasserfontänen begrüßt - und natürlich wurde auch für die Nationalelf der rote Teppich ausgerollt.
TXL Nostalgie
So viel über Tegel geschimpft wurde - zu voll, zu laut, zu unfreundlich, kein U-Bahn Anschluss und dergleichen Kritikpunkte mehr. Bei einem Volksentscheid 2017 stimmte eine Mehrheit der Berliner dafür, den Flughafen parallel zum BER weiter zu betreiben. Ohne Erfolg. Der BER eröffnet und Tegel schließt, das ist der Deal. Aber die Berliner werden die Erinnerung an TXL hochhalten.
Tegel ist tot, es lebe Tegel!
Für Tegel beginnt ab November 2020 eine neue Zeitrechnung. Die hat nichts mit Fliegen zu tun. Für das citynahe Flughafengelände - mit dem Auto sind es etwa 30 Minuten in die Innenstadt - gibt es andere Pläne. Ein Wohnviertel für 10.000 Menschen soll hier entstehen, ein Forschungs- und Industriepark, eine Hochschule. Quasi ein ganzer Campus. Die Zukunft in Tegel kann beginnen.