Löw wirft Kruse raus
21. März 2016Wenn der Bundestrainer auf eines besonderen Wert legt, dann auf Respekt. Respekt gegenüber den Teamkollegen, den Trainern und vor allem vor der Vorbildfunktion als Nationalspieler. Lässt einer seiner Schützlinge diesen Respekt vermissen, reagiert der oft gutmütige Joachim Löw plötzlich auch mal ungehalten - und dieser Gemütszustand kann mitunter andauern.
"Zum wiederholten Male unprofessionell verhalten"
Genau dies droht nun Nationalstürmer Max Kruse. Der Wolfsburger wurde nach seinen jüngsten Eskapaden vom Bundestrainer aus dem Aufgebot der Fußball-Nationalmannschaft für die Länderspiele am Samstag in Berlin gegen England und drei Tage später in München gegen Italien gestrichen. Eine klare Sprache, die auch Kruse verstehen dürfte: Eine dunkel-gelbe Karte für den talentierten, aber leider auch nicht selten undisziplinierten Offensivmann.
"Schon vergangene Woche habe ich Max Kruse klar gesagt, was ich von ihm erwarte, sowohl auf als auch neben dem Platz. Ich möchte Spieler, die sich auf den Fußball und die EM konzentrieren, auch zwischen den Spielen. Der Vorfall am zurückliegenden Wochenende widerspricht meinen Erwartungen. Max hat sich zum wiederholten Male unprofessionell verhalten. Das akzeptiere ich nicht", sagte Löw.
Kruses Suspendierung kommt zur Unzeit, denn sie könnte nicht nur die beiden bevorstehenden Länderspiele betreffen. Eine Teilnahme Kruses an der EM in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) scheint derzeit in weite Ferne gerückt. "Die Europameisterschaft im Sommer wirft ihre Schatten voraus, dort haben wir mit der Nationalmannschaft große Ziele. Wir brauchen Spieler, die fokussiert und konzentriert und sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst sind", meinte Löw und lässt damit zwischen den Zeilen bereits eine Tendenz erkennen. Es wäre der nächste spektakuläre Rauswurf in der Nationalelf-Historie. Bislang bestritt Kruse 14 Spiele für die Nationalmannschaft und erzielte dabei vier Tore.
Handyfotos, verlorenes Bargeld, Damenbesuch
Aber was war eigentlich geschehen? Kruse hatte sich am vergangenen Samstagabend in Berlin am Rande der Feier seines 28. Geburtstags eine Auseinandersetzung mit einer Bild-Reporterin geliefert, die Bilder von ihm gemacht hatte. "Natürlich war ich irgendwann genervt und habe dann vielleicht etwas unpassend reagiert", wird Kruse zitiert. Der ehemalige Gladbacher soll der Journalistin das Handy aus der Hand genommen und die betreffenden Bilder gelöscht haben. Kruses Verein VfL Wolfsburg soll laut "Bild"-Zeitung eine Strafe von 25.000 Euro verhängt haben.
Der Vorfall ist längst nicht der erste bei Kruse: Bereits vor einer Woche war er vom VfL wegen eines nächtlichen Ausflugs nach Berlin und dessen Begleitumständen zu einer saftigen Geldstrafe von ebenfalls 25.000 Euro verdonnert worden. Der Nationalspieler, der gerne auch mal im tarnfarbenen Sportwagen vorfährt, soll am 18. Oktober 2015 in den frühen Morgenstunden bei einem Berlin-Besuch 75.000 Euro in einem Taxi liegen gelassen haben - es soll sich dabei um den Einsatz bei einem Pokerturnier gehandelt haben. 2014 verpasste Kruse die Weltmeisterschaft in Brasilien - ebenfalls wegen einer Disziplinar-Strafe. Während einer Länderspielreise im November 2013 soll der Stürmer angeblich Damenbesuch im Mannschaftshotel empfangen haben. Da Kruse aus der Strafe von damals nicht viel gelernt zu haben scheint, dürfte er wohl kaum noch Chancen auf eine Teilnahme an der EURO 2016 in Frankreich haben.
VfL Wolfsburg stellt sich hinter Kruse
Auch bei Kruses Arbeitgeber VfL Wolfsburg hat es eine Krisensitzung gegeben. VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs deutete in seiner Erklärung die mögliche Existenz von Brandherden in Kruses Umfeld an. "Wir haben bei der Aufarbeitung der aktuellen Entwicklung den Eindruck gewonnen, dass Max Kruse jetzt dringend unsere Hilfe benötigt", erklärte Allofs. Allerdings habe der Verein dem Spieler auch verdeutlicht, "dass wir über seine Entschuldigung hinaus eine sofortige Veränderung seiner Lebensweise einfordern".
Einmal mehr machte der 59-Jährige seine Verärgerung über die Vorfälle deutlich: "Wir missbilligen sein Verhalten und distanzieren uns klar von den Vorfällen." Kruse habe sich jedoch "aufrichtig entschuldigt und eingesehen, dass sein Verhalten sowohl seinem persönlichen Umfeld als auch dem Verein gegenüber völlig unangemessen war". Ansonsten blieben Wolfsburgs Verantwortlichen vage. Auf die Frage, ob Kruse den Verein verlassen müsse, sagte Hecking: "Davon gehe ich im Moment nicht aus." Am Mittwoch soll der 28-Jährige wieder normal mit dem Team trainieren.