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Grande Dame des Akkordeons

Suzanne Cords24. Oktober 2012

Sie kam aus Liebe nach Deutschland, und ihr Instrument brachte sie gleich mit. 2012 feiert die Französin gleich dreifach: ihr 35. Bühnenjubiläum, den 30. Geburtstag ihrer Band "Auvrettes" und ihr 20. Album.

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Lydie Auvray (Foto: Volker Neumann)
Bild: Volker Neumann

Schon bei den ersten Takten der neuen Scheibe "3 Couleurs" wird klar, dass die quirlige Musikerin nichts von ihrem Feuer verloren hat. Unter Hunderten von Akkordeonisten würde man den unverwechselbaren Stil von Lydie Auvray noch heraushören. Ihr Ton kommt nonchalant und mit viel Gefühl daher, und ihr impulsives Spiel scheint die naturgegebenen Grenzen des Instruments zu sprengen.

Als  Auvray 1974 nach Berlin zog, kannte kaum jemand das Musetteakkordeon – höchstens seinen Klang aus "Kommissar Maigret"-Filmen. Zusammen mit ihrem Freund tingelte sie durch Nachtclubs, spielte in dem einem zwanzig Minuten lang für zehn Mark und in einem anderen für zwölf und war doch glücklich. "Es war eine Zeit der Bohème", schwärmt sie noch heute.

Markenzeichen "Lydie"-Stempel

Lydie Auvray lehrte die Deutschen, dass die Quetschkommode nicht nur zu Seemannsliedern und volkstümlichen Schlagern eine gute Figur macht. Ob Walzer, Tangos oder Chansons: Das Akkordeon der Französin geht gern auf Reisen durch die verschiedensten Genres dieser Welt und beweist immer wieder eindrucksvoll, wie abwechslungsreich dieses Instrument in den richtigen Händen sein kann. Alle Stücke tragen den "Lydie"-Stempel, denn die Künstlerin schreibt ihre Kompositionen selbst oder in enger Zusammenarbeit mit ihren Musikern und lässt es sich nicht nehmen, ihre Melodien ab und an mit tiefer, warmer Stimme zu begleiten.

Lydie Auvray und die Auvrettes. Foto: Volker Neumann.
Seit 30 Jahren geht Lydie Auvray mit den Auvrettes auf TourBild: Volker Neumann

Diesem Prinzip ist sie auch auf "3 Couleurs" (3 Farben) treu geblieben. Der Titel des Albums spielt nicht auf die französische Trikolore-Fahne an, sondern auf ihre unterschiedlichen Auftrittsvarianten: Zum einen musiziert Lydie Auvray nach wie vor mit den altgedienten "Auvrettes", dann aber auch im Trio und seit 2012 erstmals auch als Solistin.

Tango, Balkan und Chanson

13 Stücke unterschiedlichster Couleur hält Lydie Auvray dementsprechend auf ihrem neuen Werk bereit. Der Tango hat es ihr eindeutig angetan - mal temperamentvoll wie in "Tangomère", mal melancholisch wie in dem Stück "Julia", das auch eine Prise der verzauberten Stimmung aus dem Filmklassiker "Die fabelhafte Welt der Amélie" einfängt. Dann wieder macht die Musik Ausflüge in den Jazz, tummelt sich im Balkan oder goutiert den Walzer.

Das Akkordeon imitiert in einem eindringlichen Instrumentalstück das Meeresrauschen, Schlagzeug und Percussion setzen gekonnt eigenwillige Akzente. In "Dis-Moi Grand-Mère" (Sag mal, Großmutter) erzählt eine alte Dame ihrer Enkelin von ihrer Kindheit, und im Chanson "Nostalgie" spaziert man an einem regnerischen Nachmittag unwillkürlich an der Seite Lydie Auvrays an der Seine entlang.

Zuhause in Cologne

Die Französin ist nicht nur Musikerin aus Leidenschaft, sondern auch gesellschaftspolitisch engagiert. Und so ließ sie es sich nicht nehmen, anlässlich der Atomkatastrophe in  Fukushima das Klagelied "Complainte" zu komponieren.

Auf einem Bonustrack hat sich Lydie Auvray einen Herzenswunsch erfüllt: gemeinsam mit ihrer Tochter Canelle ein Lied auf CD zu brennen. Die glockenhelle Stimme der 18-Jährigen setzt sich kontrastreich vom dunklen Timbre der Mutter ab und verleiht der Interpretation des Titels "Dis-Moi Grand-Mère" ganz neue Facetten. 

Cd-Coverbild "3 couleurs" der französischen Akkordeonistin Lydie Auvray, die in diesem Jahr ihr 35. Bühnenjubiläum feiert. Sie lebt in Köln.
Das neue Album "3 couleurs"Bild: Westpark

Produziert wurde "3 Couleurs" in Köln, wo Auvray seit 1988 zuhause ist. Sie liebe die Offenheit der Menschen in dieser Stadt, sagt sie, außerdem merke man eindeutig den französischen Einfluss. Nicht zuletzt auch ihren, mag man da denken, denn kaum jemand hat das Akkordeonspiel in Deutschland so revolutioniert wie Lydie Auvray. Mit ihrem neuen Album ist die sympathische Musikerin zur Zeit auf Deutschlandtournee.