Parlamentswahlen
27. September 2008Zwischen der EU und Weißrussland herrscht diplomatische Eiszeit. Seit 14 Jahren regiert Alexander Lukaschenko das Land autokratisch. Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2006, die von Wahlbeobachtern als manipuliert eingestuft wurden, hat die EU Sanktionen gegen Weißrussland verhängt. Lukaschenko, der als "Europas letzter Diktator" gilt, hat seitdem Einreiseverbot in der EU.
Möglicherweise ändert sich das Verhältnis zwischen der EU und Lukaschenko ab Sonntag (28.09.2008), wenn in Weißrussland ein neues Parlament gewählt wird. Denn der Autokrat hat transparente und demokratische Wahlen versprochen. Die weißrussische Regierung hat sogar die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingeladen, den Urnengang zu überwachen. 300 OSZE-Wahlbeobachter werden am Sonntag vor Ort sein.
Zweifel an Lukaschenkos Worten
Die weißrussische Opposition traut Lukaschenko aber nicht über den Weg. Sie nimmt zwar an den Wahlen teil - aber nur, um Manipulationen dokumentieren zu können. Und die EU mahnte, sie erwarte, dass die Wahlen "pluralistisch sein werden und einen wirklichen Fortschritt auf dem Weg zur Respektierung internationaler und europäischer Standards darstellen", wie es in einer Erklärung der EU-Außenminister heißt.
Deutlicher äußert sich der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU): "Schon aufgrund der mangelnden Informationsmöglichkeiten der Opposition als auch aufgrund des politischen Drucks auf Oppositionelle kann man nicht von fairen Wahlen sprechen", sagt Brok. "Die Opposition ist in einer viel schlechteren Ausgangslage als die Regierung."
Neue Allianzen jenseits von Brüssel und Moskau
Lukaschenko gibt sich indes unverdrossen als Demokrat. In einem seiner eher seltenen Interviews mit westlichen Medien hat er kürzlich betont, er habe keine diktatorischen Ambitionen, sondern vertraue auf den Willen des weißrussischen Volkes. "Ich wäre froh, wenn sie diese ehrliche Botschaft den Menschen in Europa überbringen könnten", sagte Lukaschenko der britischen "Financial Times" und der deutschen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Gleichzeitig droht Lukaschenko der EU aber mit dem Abbruch aller Beziehungen. Sollte die EU ihre harte Haltung gegen ihn nicht lockern, werde sich Weißrussland andere Verbündete suchen. Namentlich nannte er Venezuela und den Iran. Traditioneller Verbündeter ist Russland, dessen Vorgehen im Georgien-Krieg Lukaschenko erst kürzlich noch gelobt hatte. Die abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien hat Weißrussland aber bisher nicht anerkannt. Darüber solle das neue weißrussische Parlament befinden, sagt Lukaschenko. Beobachter deuten dieses Vorgehen so: Lukaschenko versucht die Annäherung an den Westen, hält sich aber gleichzeitig eine Hintertür nach Russland offen.
Wie reagiert Europa?
Nach den Wahlen wird sich die EU also entscheiden müssen, ob sie an ihren Sanktionen gegen Lukaschenko festhält. Grundsätzlich ist die EU bereit, "ihre restriktiven Maßnahmen gegen die weißrussische Führung zu überprüfen und positive und konkrete Schritte zu unternehmen, die zu einer allmählichen Wiederannäherung an Weißrussland führen können", heißt es ausdrücklich in der Erklärung der Außenminister. Voraussetzung sei, dass entsprechende Standards bei den Wahlen eingehalten werden.
Zufrieden hat Brüssel auch registriert, dass Lukaschenko im August drei prominente Dissidenten freigelassen hat. Unter ihnen war der frühere Präsidentschaftskandidat Alexander Kosulin. Nach den Wahlen 2006 war er zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Wegen seines Engagements hat ihn der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments als Kandidaten für den diesjährigen Sacharow-Preis für Menschenrechte nominiert. "Er hat im Gefängnis gesessen, er hat Mut gezeigt gegen dieses repressive, autoritäre Regime", sagt Ausschuss-Mitglied Elmar Brok. Der Preisträger wird im Oktober vom Präsidium des Europaparlaments bestimmt.
Brok weist die Drohung Lukaschenkos, die Beziehungen abzubrechen, zurück. "Die EU kann sich nicht von Lukaschenko vorschreiben lassen, was wir als Standard für demokratische Wahlen ansehen", sagt er. Die EU dürfe nur Wahlen akzeptieren, die nach den Regeln der OSZE als fair gelten. "Wir werden nicht aus taktischen, opportunistischen Gründen unsere Standards bezüglich demokratischer Wahlen verändern", warnt Brok.