Jovic: Vom Leihspieler zum Leistungsträger
18. März 2019Ist das derzeit stürmische Wetter in Deutschland Schuld? "Bis jetzt ist das nur typisches Blätterrauschen mit null Inhalt", meint Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic zu den Medien-Gerüchten über das große Interesse europäischer Spitzenklubs an einem seiner Spieler: Luka Jovic, um genau zu sein. "Es hat mich schon gewundert. Erst war es Barcelona, dann war es Real Madrid, jetzt Chelsea", so Bobic über die vielen Spekulationen. Auch ohne die ist ihm bewusst ist, dass sich andere Vereine mit Eintracht-Spielern beschäftigen.
"Das sehe ich an den Scouting-Listen bei jedem Heimspiel", sagte der 47-Jährige. "Da ist aber die Crème de la Crème da. Die waren vor zwei Jahren noch nicht da, und plötzlich haben sie den Weg nach Frankfurt gefunden." Hauptsächlich dafür verantwortlich ist ein gerade mal 21-jähriger Spieler: Jovic erzielte bisher in der laufenden Europa-League-Saison in zehn Partien sieben Tore. In der Bundesliga ist er derzeit hinter Bayern Münchens Robert Lewandowski und zusammen mit Marco Reus vom BVB der zweiterfolgreichste Torschütze (15 Tore). Im Oktober des vergangenen Jahres gelangen ihm als jüngster Bundesliga-Spieler fünf Treffer in einer Partie.
Gehen oder bleiben?
Fakt ist: Es liegt offiziell - noch - keine einzige Anfrage für Jovic vor. Tatsache ist auch, dass die Eintracht die Kaufmöglichkeit über rund sieben Millionen Euro für den Leihspieler von Benfica Lissabon wahrnehmen wird: "Eins ist klar, wie ziehen die Option und werden alles daran setzen, dass er bei uns bleibt", so Bobic. Eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen spielt dabei auch, wo die Frankfurter am Ende der Spielzeit stehen. "Ich würde nächste Saison gerne hier spielen. Wenn wir die Champions League erreichen, werden sie mich hier nicht los", sagte Jovic gegenüber der "Bild"-Zeitung.
Jovic fühlt sich wohl in Frankfurt und genießt die Wertschätzung von Klub, Spielern und Fans. Er selbst weiß aus eigener schmerzhafter Erfahrung, wie wichtig das Umfeld für einen Profi ist. 1997, also zwei Jahre nach Ende des Bosnienkriegs in der Republik Srpska, einer überwiegend von bosnischen Serben bewohnten Region in Bosnien und Herzegowina geboren und aufgewachsen, wechselte Jovic bereits mit acht Jahren zum serbischen Spitzenklub Roter Stern Belgrad. Sein Vater fuhr ihn täglich 150 Kilometer weit zum Training. Mit 16 Jahren folgte das Debüt in der Profimannschaft – als jüngster Spieler in der Geschichte des Traditionsklubs.
Vom Wunderkind zum Bankdrücker
Als "Wunderkind" in der heimischen Presse gefeiert, verkaufte ihn Roter Stern als 18-Jährigen - entgegen seines Wunschs - für sieben Millionen an Benfica Lissabon. "Als ich Roter Stern verlassen habe, habe ich drei Tage geweint", sagte er einmal im Interview mit der "Frankfurter Rundschau". Bei Benfica - übrigens Frankfurts nächster Gegner im Europa-League-Viertelfinale - konnte er den Erwartungen nicht gerecht werden, spielte fast nur in der zweiten Mannschaft, auch weil er, wie er später zu gab, sich nicht immer professionell verhalten habe.
Um mehr Spielpraxis zu sammeln, wechselte Jovic im Sommer 2017 zu Eintracht Frankfurt, dem damaligen Tabellenelften der Bundesliga. "In bin hier in Frankfurt in einem Monat mehr gelaufen als in Lissabon in einem ganzen Jahr", erklärte Jovic einmal den Unterschied. Mit dem damaligen Trainer Niko Kovac, mittlerweile Coach bei Bayern München, einem Disziplinfanatiker, qualifizierte sich die Eintracht für die Europa League und gewann sogar den DFB-Pokal. "Niko Kovac hat mir sehr viel geholfen, mich als Spieler und Typ weiterzuentwickeln", erklärt Jovic.
Angeborener Torinstinkt
Was ihn als Spieler ausmacht? Er trifft mit rechts wie mit links und mit dem Kopf. "Ich habe als kleiner Junge immer und immer wieder aufs Tor geschossen, das ist angeboren, das ist mein Instinkt", so Jovic über seine Treffsicherheit. Er ist wendig und schnell. Distanzschüsse liegen ihm genauso wie gefühlvolle Lupfer. Er strahlt immerzu eine Torgefahr aus, so dass seine Gegenspieler ihn oft sogar doppeln. Er spekuliert gerne auf Steilpässe, kann aber dank seines Spielverständnisses auch aus dem Mittelfeld agieren. Mittlerweile soll sein Marktwert bei 55 Millionen Euro liegen.
Es läuft derzeit bestens für Jovic, aber eines wurmt ihn trotzdem: dass er noch kein Tor für die A-Nationalmannschaft erzielt hat. Bei bisher drei Kurzeinsätzen von insgesamt 14 Minuten - sein Debüt gab er im vergangenen Sommer - ist das allerdings auch nicht verwunderlich. Am Mittwoch trifft Jovic mit Serbien in Wolfsburg auf die DFB-Elf. "In Anbetracht der Tatsache, dass ich bisher noch nicht so oft nominiert wurde, hat das Spiel natürlich einen hohen Stellenwert. Ich will mein Land bestmöglich vertreten", erzählt Jovic. Serbiens Nationaltrainer Mladen Krstajic, früher Bundesliga-Profi bei Werder Bremen und dem FC Schalke 04, weiß um das Talent seines Schützlings und zieht bereits Vergleiche mit Barcelonas Top-Stürmer: "Ich würde ihn mit Luis Suarez vergleichen", so Krstajic.
Den ganzen Wirbel um seine Person interessiert Jovic nicht wirklich. Er hat das ja schon mal mitgemacht. Er will einfach nur Fußballspielen und Tore schießen - am liebsten bereits am Mittwoch gegen Deutschland.