Lufthansa wächst und baut (vielleicht) um
30. Juli 2019So ist das mit Veränderungen des Alltagsverhaltens, um der Umwelt zu helfen: das dauert. Auch wenn die schwedische Schülerin Greta Thunberg aufs Fliegen verzichtet und viele (Jüngere) es mittlerweile peinlich finden mögen, ein Flugzeug zu besteigen: Spuren davon sucht man in den Geschäftszahlen des größten europäischen Flugkonzerns, der Lufthansa, vergeblich.
Zwar ist der Lufthansa-Gewinn im letzten Quartal eingebrochen, wegen einer Steuerrückstellung um immerhin 70 Prozent auf 226 Millionen Euro; und auch das Ergebnis vor Steuern und Abgaben sackte um ein Viertel weg auf 754 Millionen Euro. Aber in der Gruppe, zu der neben der schweizerischen Swiss und der österreichischen Austrian Airlines die eigene Billigtochter Eurowings gehören, stieg der Umsatz insgesamt um vier Prozent auf 9,6 Milliarden Euro.
Bei Lufthansa liest sich das dann so: "Anhaltende Überkapazitäten, aggressiver Wettbewerb und eine zunehmend preis-sensible Nachfrage."
"Überkapazitäten, preis-sensible Nachfrage"
Jedenfalls zog die Zahl der Reisenden auf deutschen Flughäfen im letzten Halbjahr erneut an, und zwar um 4,2 Prozent - das sind 117 Millionen Menschen, die da in ein Flugzeug einsteigen. 'Flugscham' dürfte anders aussehen. Das gilt übrigens auch für die Jüngeren, wissen Freizeitforscher. Die Süddeutsche Zeitung wies unlängst darauf hin, dass junge Erwachsene zwischen 20 und 29 Jahren - "wenig älter als diejenigen, die Freitags auf die Straßen gehen" - deutlich öfter ein Flugzeug nehmen als die über 40-Jährigen.
Zusammengefasst vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL): "Wir stellen keinen Rückgang fest, der mit der Klimaschutzdiskussion im Zusammenhang steht", so BDL-Vertreter Matthias von Randow.
Stärker als auf die Umwelt achtet der Reisende üblicherweise aufs Geld. Das nützt den Billigfliegern, und das bekommt auch die Lufthansa zu spüren. Die irische Billigmarke Ryanair hat in den drei Monaten seit April gleich 11 Prozent mehr Fluggäste befördert. Aber auch hier ein ähnliches Bild wie bei Lufthansa: Der Umsatz steigt zwar, der Gewinn aber sackt weg. Ryanair verdiente 21 Prozent weniger als zuvor und kam noch auf 243 Millionen Euro. Denn die Ticketpreise sanken, die Konkurrenz am Himmel ist groß.
Das und nicht "Greta-Effekt" oder "Flugscham" dürfte auch der Hintergrund für Berichte sein, nach denen die Lufthansa-Gruppe über einen Umbau nachdenkt. Zwar lässt Konzern-Chef Carsten Spohr sich mit dem Satz zitieren, die Lufthansa fühle sich mit der jetzigen Struktur wohl. Dennoch halten sich Gerüchte, genau diese Struktur stehe zur Änderung an. So berichtete das deutsche Handelsblatt, man erwäge eine neue Holding-Struktur bei der Lufthansa. Bisher wird die Struktur durch die verschiedenen Kompetenzen im Konzernvorstand bestimmt, etwa die für Vertrieb, Drehkreuze und Betriebsabläufe.
Holding-Struktur für Lufthansa?
Die arbeiten bisher für alle Marken der Gruppe, ob für die klassische Lufthansa, für die Zukäufe aus Österreich oder der Schweiz, AUA und Swiss, oder die Billigmarke Eurowings. Dagegen wären diese Marken in einer neuen Holding deutlich unabhängiger - das Übergewicht der Premiumlinie Lufthansa, das bisweilen von Beobachtern moniert wird, nähme ab. Vor allem Eurowings, so das Kalkül, könne dann freier agieren und der Konkurrenz die Stirn bieten.
Bisher ist nämlich Eurowings das Sorgenkind der Lufthansa-Gruppe. Die Billigflugtochter schrieb in den ersten sechs Monaten einen Verlust von 273 Millionen Euro, gut 50 Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum. Vielleicht liegt es daran, was Konkurrent Ryanair behauptet und bitter beklagt: Lufthansa vermarkte "Überkapazitäten zu Preisen unterhalb der Kosten". Will sagen: Eurowings biete Dumpingpreise, um seine Marktanteile zu sichern.
Die Ticketpreise ab deutschen Flughäfen sind denn auch im letzten Halbjahr insgesamt nur um zwei Prozent gestiegen. Und im Billigsektor dürfte der Preiskampf im Rest des Jahres anhalten, sagt ein Lufthansa-Sprecher. Die Nachfrage wird jedenfalls kaum sinken, der "Flugscham" zum Trotz. Aber auch im Supermarkt hat es ja lange gedauert, bis sich die teurere Bio-Tomate gegen die Massenware durchsetzen konnte und das billige Schweinekotelett nicht immer als erste Wahl erscheint.
ar/hb (rtr, dpa, afp – Archiv)