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PolitikEuropa

Großbritannien und die Russlandsanktionen

Barbara Wesel
13. Februar 2022

Die britische Regierung kündigt bei einer möglichen Ukraine-Invasion Sanktionen an. Dabei wird die Hauptstadt Großbritanniens selbst "Londongrad" genannt - wegen Verbindungen zu Oligarchen und politischer Einflussnahme.

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England | russische Botschaft in London
Bild: Kirsty O'Connor/empics/picture alliance

Die britische Außenministerin Liz Truss übt sich in scharfen Formulierungen: Wenn Präsident Putin in die Ukraine einmarschiere, würden Russlands Oligarchen sich "nirgends mehr verstecken" können. Der Kreml werde einen hohen Preis für eine Invasion zahlen. Und Premier Boris Johnson will neue "Kompetenzen, um Personen und Einrichtungen" zu sanktionieren, die mit dem Kreml verbunden sind. Kritiker aber rennen seit Jahren erfolglos gegen den Laundromat an, die Geldwaschmaschine in "Londongrad", wo die Milliarden russischer Oligarchen längst tief mit der Finanzwelt verwoben sind.

"Moskaus Gold"

Der Bericht des Auswärtigen Ausschusses im britischen Unterhaus zum russischen Oligarchengeld war schon 2018 erschienen und zutreffend betitelt:  "Moskaus Gold". " Er zeigt, dass es Großbritannien nicht ernst damit ist, Präsident Putins aggressiven Maßnahmen entgegenzutreten, wenn die Rolle Londons dabei ignoriert wird, "Gewinne aus Kreml-naher Korruption zu verstecken", hieß es damals.

Der Ausschussvorsitzende Tom Tugendhat ist derzeit ein gesuchter Gesprächspartner und zeigt sich frustriert: "Wir müssen einmal mehr nach schmutzigem Geld in Großbritannien fragen", sagte er dem britischen Guardian. Er will das Thema erneut im Unterhaus auf die Tagesordnung setzen und dabei auch fragen, warum die Regierung untätig bleibe. Und in der BBC betonte er: "Großbritannien hat eine Verantwortung zu handeln, wegen Londons globaler Rolle in der Geldwäsche".

Ukraine-Konflikt | Russische Militärübung in Gozhsky
Die internationale Staatengemeinschaft erwartet einen Angriff durch russische Truppen auf die Ukraine Bild: BelTA/AP/dpa/picture alliance

Damit macht sich Tugendhat in seiner eigenen konservativen Partei nicht beliebt. Seit dem Amtsantritt von Boris Johnson haben die Tories nach offiziellen Angaben rund zwei Millionen Pfund von russischen Spendern bekommen. Gesetzesänderungen, wonach zum Beispiel mehr Transparenz bei Immobilienkäufen die Wäsche von Oligarchengeld erschweren sollte, bleiben seit Jahren liegen.

Die Antikorruptionsorganisation "Transparency International" schätzt, dass Immobilien im Wert von bis zu zwei Milliarden Dollar aus verdächtigem russischem Geld finanziert wurden. Eine Dokumentation im TV-Sender Channel 4 zeigt, wie skrupellose Makler in London den Kauf von Millionenobjekten mit mutmaßlichem Schwarzgeld umsetzen. Russlandexperte Ben Judah arbeitete mit an dem Filmbericht  #FromRussiaWithCash: Er wolle zeigen, "wie einfach man in London Geld waschen kann - und sich auch die britische Elite dadurch zum Schlechteren verändert".

Oligarchen sichern den Einfluss Moskaus

Der Milliardär Roman Abramowitsch kaufte den Erstliga-Fußballclub Chelsea, um Zugang zur besseren britischen Gesellschaft zu gewinnen. Sein Kollege Alexander Lebedev kaufte aus ähnlichen Beweggründen die Londoner Abendzeitung "Evening Standard".  Russische Oligarchen beschäftigen eine Armee von Anwälten, PR Beratern und Hauspersonal, schicken ihre Kinder auf britische Schulen und lassen sich vor britischen Gerichten scheiden. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Londoner Superreichen, treten beim Pferderennen in Ascot ebenso auf wie bei den Wohltätigkeitsbällen und Galaveranstaltungen der Hauptstadt.

Evgeny Lebedev | russich-britischer Geschäftsmann
Oligarchensohn und Zeitungsbesitzer Evgeny Lebedev mit Prinz William bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung Bild: Arthur Edwards/Getty Images

Abramowitsch gehörte dann zu den wenigen, die 2018 nach dem Anschlag auf Ex-Spion Sergei Skripal mit dem russischen Nervengas Novichok, doch bestraft wurde: Die Ausländerbehörde blockierte sein Aufenthaltsvisum. Der Oligarch nahm kurzerhand die israelische Staatsbürgerschaft an und kann sich seither überall im Westen frei bewegen. Aus Rache stoppte er den Neubau eines Stadions für Chelsea.

Der konservative Abgeordnete Tugendhat spricht in einem Artikel für das US-Magazin "The Atlantic Council" in dem Zusammenhang von einer anderen russischen Invasion - der "Übernahme der europäischen Eliten". Er sieht die Einflussnahme des Kreml überall: Der frühere französische Präsidentschaftskandidat Francois Fillon bekam einen Job bei der russischen Staatsölfirma Zarubezhneft, die ehemalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl sitzt im Aufsichtsrat von Rosneft, wo bekanntermaßen der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder tätig ist. Und der frühere österreichische Kanzler Christian Kern bekommt Geld von der russischen Bahn. Tugendhaft sieht in diesen Verflechtungen eine "systemische Bedrohung für Europa", seiner Werte und seiner Demokratie.

Kritik aus Washington

In einem Bericht für den Biden-nahen Thinktank "Center for American Progress" wird unter anderem eine Arbeitsgruppe gegen "Kleptokratie" gefordert, um die britische Regierung "zu stärkeren Maßnahmen anzustacheln". Allerdings warnt der Autor der Studie, dass es für die Briten schwer werde, Kreml-nahen Oligarchen zu Leibe zu rücken. Er spricht von engen Bindungen "zwischen russischem Geld und den britischen Konservativen, der Presse sowie der Immobilienbranche und Finanzindustrie des Landes". Aus der Analyse spricht die Frustration der US-Regierung, dass London nicht mehr gegen russische Geldwäsche bei sich unternehme.

Roman Abramowitsch | russischer Oligarch
Der russische Oligarch und Milliardär Roman Abramowitsch ist Eigentümer des Fußballclubs ChelseaBild: Ben Stansall/AFP/Getty Images

Demgegenüber kündigte in der vorigen Woche die britische Außenministerin im Interview mit "Times Radio"  neue Gesetze gegen den russischen Geldfluss an. Sie sollten es erleichtern, das Vermögen von Putins Freunden einzufrieren. Kreml-Sprecher Dmitry Peskov warnte: Solche Angriffe würde Großbritanniens Anziehungskraft für Investoren und britischen Unternehmen schaden.

Der frühere Großinvestor Bill Browder wurde nach seinen Erfahrungen in Moskau zum Kämpfer gegen das Regime. Auf sein Betreiben hin verabschiedeten zahlreiche westliche Staaten den Magnitsky-Akt zur zur Beschlagnahme von Geld, das mit Menschenrechtsverletzungen und Staatskorruption verbunden ist. Browder sagt: "Die Achillesferse von Putins Regime ist es, Putins Oligarchen in Großbritannien zu verfolgen und ihre Vermögen einzuziehen".  Er schätzt, dass Staatsvermögen im Wert von 800 Milliarden Dollar außerhalb von Russland geparkt ist und dieses also mit Sanktionen belegt werden könnte. 

London: Oligarchen willkommen

Die britische Abgeordnete Laila Moran zitiert den alarmierenden Bericht des Geheimdienstausschusses im Unterhaus von 2020, wonach "viele Russen mit engen Beziehungen zu Putin in die britische Wirtschaft und das soziale Leben gut integriert sind". Seitdem sei nichts geschehen. Solange die Regierung aber an dieser Front nicht handele, "wird unsere Antwort auf russische Aggression gegen die Ukraine zahnlos bleiben", so die liberale Politikerin. Boris Johnson hat jetzt kaum noch genug Zeit, um eine glaubhafte Reaktion auf die immer näher kommende russische Aggression in der Ukraine vorzubereiten.