London schließt Handelspakt mit Türkei
29. Dezember 2020Die Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Türkei haben sich auf ein Handelsabkommen mit einem Volumen von 20,5 Milliarden Euro geeinigt. Die britische Regierung bezeichnete den Vertrag als "Basis" für künftige Regelungen, die in der Post-Brexit-Ära vorteilhaftere Lösungen für den Freihandel ermöglichen soll. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von der "wichtigsten Vereinbarung" seit einem Abkommen mit der Europäischen Union aus dem Jahr 1995.
Zunächst wurde weitgehend eine Fortschreibung der bislang geltenden Regelungen vereinbart, um Handelshemmnisse durch Zollkontrollen zu vermeiden. Die Regierung in London verbucht dadurch einen "wichtigen Gewinn" auf britischer Seite für die Auto- und Stahlindustrie. Zugleich werde der Weg für eine Vereinbarung "mit größeren Ambitionen in naher Zukunft" eingeschlagen, sagte Handelsministerin Liz Truss. Dann werde Großbritannien "im Zentrum eines Netzwerks moderner Vereinbarungen mit dynamischen Volkswirtschaften" stehen. Mit der Türkei sei ein "noch vorteilhafteres Handelsabkommen" geplant. Das nun geschlossene Abkommen war erst dadurch möglich geworden, dass London sich mit der Europäischen Union auf Regelungen für die künftigen Beziehungen geeinigt hatte.
"Weiter so" mit Vietnam
Zeitgleich wurde noch ein weiteres Handelsabkommen publik: Das Vereinigte Königreich und Vietnam haben sich auf einen Vertrag geeinigt. Er soll im Wesentlichen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem ostasiatischen Land (EVFTA) fortschreiben, dem Großbritannien im Zuge der zum Jahreswechsel endenden Übergangsphase weiter angehörte. Im Laufe des letzten Jahrzehnts war das britisch-vietnamesische Handelsvolumen um durchschnittlich zwölf Prozent pro Jahr auf 6,6 Milliarden US-Dollar angewachsen. Dank dem im August in Kraft getretenen EVFTA-Vertrag waren 99 Prozent aller Zölle zwischen EU und Vietnam weggefallen.
Großbritannien muss wegen des EU-Austritts eine Reihe solcher Abkommen durch eigene bilaterale Verträge ersetzen, um als Absatzmarkt mit der EU konkurrieren zu können. So hat London seit dem Brexit-Referendum von 2016 mit nunmehr über 60 Nationen Handelsabkommen erzielt, darunter Japan, Singapur, Mexiko und Kenia. Die Verhandlungen mit den USA blieben hingegen bislang ohne Ergebnis.
Vertrag mit EU nimmt weitere Hürde
Unterdessen wächst die Zuversicht, dass die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und seinem wichtigsten Handelspartner, der EU, auch im neuen Jahr in geregelten Bahnen verlaufen: Die 27 EU-Staaten haben dem Start des Handelsvertrags offiziell zugestimmt. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte, Deutschland habe auf den letzten Metern der EU-Ratspräsidentschaft noch alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit der Partnerschaftsvertrag zum 1. Januar 2021 vorläufig angewendet werden kann. "Mit vereinten Kräften ist es gelungen, einen chaotischen Jahreswechsel zu verhindern."
Am Mittwochvormittag sollen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel den Vertrag offiziell unterzeichnen, anschließend soll auch der britische Premierminister Boris Johnson das Werk unterschreiben. Außerdem sind Abstimmungen in beiden Kammern des britischen Parlaments geplant. Dort kann Johnson mit einer breiten Mehrheit rechnen, weil die oppositionelle Labour-Partei bereits ihre Zustimmung angekündigt hat. Auch die European Research Group (ERG), bei der es sich entgegen dem wissenschaftlich klingenden Namen um eine Parlamentariergruppe mit besonders radikalen Ansichten zum Brexit handelt, dürfte zustimmen: Die ERG teilte mit, das Abkommen schütze die Souveränität des Königreichs und respektiere die Normen für zwischenstaatliche Vereinbarungen.
Auf britischer Seite setzt schließlich Königin Elizabeth II. den Vertrag durch ihr "Royal Assent", die königliche Zustimmung, endgültig in Kraft.
ehl/sti (dpa, afp, rtr)