Loja Dschirga tagt in Kabul
7. August 2020Die Taliban hätten erklärt, nach der Freilassung der 400 Gefangenen könnten "binnen drei Tagen direkte Gespräche" über einen Friedensprozess starten, sagte der afghanische Präsident Aschraf Ghani zur Eröffnung der sogenannten Loja Dschirga, an der rund 3500 Stammesälteste und weitere Würdenträger der afghanischen Gesellschaft teilnehmen.
Ghani hatte der Ratsversammlung die Entscheidung über die Freilassung der Gefangenen übertragen. Der Beschluss ist allerdings für die Regierung nicht verbindlich. Die radikalislamischen Taliban erkennen das Jahrhunderte alte Gremium zur Klärung von Belangen, die nationale Bedeutung haben, nicht an.
Nach einer Vereinbarung zu einem Gefangenenaustausch als Voraussetzung für direkte Friedensgespräche hat Kabul in den vergangenen Monaten fast 5000 gefangene Taliban freigelassen. Die Islamisten haben ihren Teil der Abmachung erfüllt und eintausend afghanische Sicherheitskräfte auf freien Fuß gesetzt. Die Islamisten verlangen aber, dass weitere 400 ihrer Mitstreiter frei kommen.
Dies haben die Behörden bislang blockiert. Denn 150 der 400 Kämpfer wurden wegen besonders schwerer Straftaten zum Tode verurteilt. Viele von ihnen waren an schweren Anschlägen beteiligt, bei denen zahlreiche Afghanen, aber auch Ausländer getötet wurden.
Wie kontrovers die Freilassung ist, zeigte gleich ein Vorfall zu Beginn der Loja Dschirga. Eine Politikerin wurde von einer Frau im Saal geschlagen, nachdem sie scharfe Kritik an der Rede von Präsident Ghani geübt hatte. Die Kritikerin musste daraufhin den Saal verlassen. Der Spitzenpolitiker Abdullah Abdullah, der die Versammlung leitet, sprach zum Auftakt von einer "Entscheidung über Leben und Tod". Drei Tage lang sollen die rund 3200 Delegierten diskutieren.
Die USA riefen den Ältestenrat auf, die "historische Gelegenheit" zu nutzen und die Taliban freizulassen. "Wir erkennen an, dass die Freilassung dieser Gefangenen unpopulär ist", sagte US-Außenminister Mike Pompeo in einer Erklärung. "Aber diese schwierige Aktion wird uns zu einem Ergebnis führen, das die Afghanen und die Freunde Afghanistans seit langem herbeisehnen: Weniger Gewalt und direkte Gespräche, die in ein Friedensabkommen und ein Ende des Krieges münden."
Die USA und die Taliban hatten im Februar in Doha ein Abkommen geschlossen, das den US-Truppenabzug aus Afghanistan regeln soll. Im Gegenzug sollen die Taliban die Gewalt in Afghanistan reduzieren und Garantien dafür geben, dass sie das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" bekämpfen. Dafür soll es ein Friedensabkommen zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban geben. Bisher sind Versuche, das Abkommen auf den Weg zu bringen, allerdings gescheitert.
uh/qu (dpa, afp)