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Lizenz zum Lauschen: Spionage beim G20-Gipfel

Marcus Lütticke17. Juni 2013

Der britische Geheimdienst soll 2009 Delegierte des G-20-Gipfels in London abgehört haben. Der öffentliche Aufschrei ist groß. Doch Experten zeigen sich von den Enthüllungen wenig überrascht.

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Gruppenfoto der Regierungschefs beimn G20-Gipfel in London - Foto: Eric Feferberg (AFP)
Bild: Eric Feferberg/AFP/Getty Images

Geheimdienste hören Telefonate ab, entschlüsseln Passwörter zu geschützten Netzwerken, filtern und lesen E-Mails und werten weltweite Datenströme aus - soweit nichts Ungewöhnliches. Doch die neuesten Enthüllungen des Ex-US-Geheimdienstlers Edward Snowden sorgen für Aufregung. Der Grund: Snowden hatte der Zeitung "The Guardian" Dokumente weitergeleitet, die Skandalöses belegen. Der britische Geheimdienst soll hochrangige Vertreter befreundeter Staaten ausspioniert haben.

Geschehen ist das Ganze laut "Guardian" beim G-20-Gipfeltreffen in London 2009, der Konferenz der wichtigsten Industrienationen und Schwellenländer. Auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise ging es bei dem Gipfel um Investitionsprogramme, Bankenregulierung und Steueroasen.

Durchgeführt wurde die Überwachung der Teilnehmer offenbar vom Government Communications Headquarters (GCHQ), dem britischen Gegenstück zum US-Geheimdienst NSA, für den Snowden lange Jahre tätig war. Dem "Guardian" liegen dazu streng geheime GCHQ-Papiere vor.

Portrait des amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden - Foto: Ewen MacAskill (The Guardian)
Edward Snowden: Neue Enthüllungen über GeheimdienstpraktikenBild: Reuters/Ewen MacAskill/The Guardian/Handout

Türkei und Südafrika betroffen

Demnach wurden beim Gipfel unter anderem die türkische Delegation und südafrikanische Diplomaten abgehört. Die Geheimdienstler lieferten der britischen Regierung Informationen darüber, welche Teilnehmer gerade untereinander telefonierten und versuchten die Kommunikation der Blackberry-Smartphones abzufangen. Sogar ein spezielles Internetcafé mit manipulierten Computern soll der Geheimdienst für die Gipfelteilnehmer eingerichtet haben. Hierdurch wollte man die Zugänge und Passwörter der Diplomaten zu internen Netzwerken ausspähen.

Die vorliegenden Papiere legen nahe, dass die Aktionen vom damaligen britischen Premier Gordon Brown abgesegnet waren und die erlangten Informationen auch an Kabinettsmitglieder weitergegeben wurden. Durch die Maßnahmen wollte die Regierung offensichtlich einen Einblick in die Verhandlungstaktik anderer Teilnehmer erlangen.

Experte nicht überrascht

Der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom ist von den Enthüllungen nicht überrascht: "Die haben ihren Job gemacht. Das Government Communications Headquarters hat drei nachrichtendienstliche Rahmenaufträge. Die müssen nicht nur zur nationalen Sicherheit beitragen und schwere Verbrechen bekämpfen, sondern eine Hauptaufgabe liegt in der Förderung des wirtschaftlichen Wohls Großbritanniens." Daher sei es nur logisch, dass man ein solch wichtiges Treffen "im Interesse der eigenen Regierung ausforscht."

Auch die Nachrichtendienste anderer Staaten, so Schmidt-Eenboom, würden ähnlich handeln. "Man muss davon ausgehen, dass bei allen G-20-Gipfeln nachrichtendienstliche Tätigkeiten entfaltet werden. Da haben die heimischen Nachrichtendienste immer den Auftrag, zum Wohle ihrer eigenen Verhandlungsdelegation Informationen zu besorgen."

Der deutsche Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) ist vom Inhalt der Enthüllungen dagegen überrascht: "Bisher dachte man immer, das kommt früher aus dem Ostblock und jetzt vielleicht von Russland oder China." Dass sich auch befreundete Nationen nachrichtendienstlich aushorchen, sei für ihn eine neue Erkenntnis.

Mangelnde Kontrolle der Dienste

Ströbele ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Kontrolle der deutschen Geheimdienste zuständig ist. Doch die Möglichkeiten, selbst ein umfassendes Bild von den Aktivitäten des deutschen Bundesnachrichtendienstes zu bekommen, stuft er als sehr beschränkt ein: "Die parlamentarische Kontrolle ist nur rudimentär möglich. Wir haben ganz selten durch eigene Kontrollmaßnahmen Skandale, Fehlentwicklungen oder Schlimmeres rausbekommen. In der Regel kamen die Informationen von außen", so Ströbele im DW-Interview.

Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele am Rednerpult (Foto: dapd)
Hans-Christian Ströbele: "Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten sind beschränkt"Bild: dapd

Auf dem G-8-Gipfel in Nordirland kommen nun auf die britische Regierung unangenehme Fragen zu. Zumindest von Seiten der Öffentlichkeit. Zwischen den Regierungen, so glaubt Geheimdienstexperte Schmidt-Eenboom, wird der Vorfall nicht für Spannungen sorgen: "In der Öffentlichkeit wird man Empörung spielen, aber hinter den Kulissen weiß jeder Regierungschef und jeder Diplomat genau, dass das gang und gäbe ist und dass das eigene Land da in ähnlicher Weise agiert."