Die Verfilmung des Weltbestsellers "Der Vorleser"
25. Februar 2009Als Kate Winslet für ihre Rolle in "Der Vorleser" mit dem Oscar für die beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde, erwähnte sie auch den Romanautor Bernhard Schlink in ihrer Dankesrede. Selten hat ein Roman, der als eine Tabugeschichte beginnt, den Leser auf eine solch falsche Fährte geführt, wie "Der Vorleser". Als würde das Thema der Liebe zwischen einem 15jährigen Jungen und einer 36 Jahre alten Frau im muffigen Klima einer westdeutschen Kleinstadt der 50er Jahre nicht reichen, erzählte Schlink gleichzeitig auch vom Holocaust von deutscher Schuld und Gleichgültigkeit.
Verhängnisvolle Beziehung
Es beginnt als eine "amour fou", einer leidenschaftlichen Liebe, zwischen einem Jungen aus kleinbürgerlichem Milieu und der Straßenbahnschaffnerin Hanna. In der Verfilmung spielt David Kross die Hauptrolle des Michael. Er hat noch dieses jungenhafte Gesicht, den fast knabenhaften Körper eines Jugendlichen. Hanna die Frau, die er so leidenschaftlich liebt, wird von Kate Winslet verkörpert und Regisseur Stephen Daldry gelingt es durchaus, die Erotik des Buches in sinnliche Filmbilder zu übersetzen.
"Warum sollte ich mich davon distanzieren?"
Schwieriger ist es schon, die Schlüsselszenen zu bebildern in denen Michael, Hanna immer wieder aus Büchern vorlesen muss, weil sie es von ihm verlangt. Der Autor Bernhard Schlink gab auf der Pressekonferenz während der Berlinale durchaus zu, andere Bilder im Kopf gehabt zu haben. Dennoch ist er weit davon entfernt, sich von der Verfilmung zu distanzieren.
"Der Film ist in der Tat etwas Anderes. Es sind andere Bilder, aber es sind Bilder, es sind Szenen, die aus meinem Stoff gemacht werden", erklärte Schlink. Wenn ein guter Regisseur, ein guter Drehbuchschreiber und ein großes Team von Darstellern, den Stoff noch einmal in eine neue Gestalt brächten, gefiele ihm das. "Warum sollte ich mich davon distanzieren?"
Böses Erwachen
Aber urplötzlich verschwindet Hanna und damit für Michael die Liebe. Von diesem Verlusttrauma wird er sich auch als Mann nicht erholen. Dramatisch ist für Michael Jahre später das Wiedersehen mit der 20 Jahre älteren, ehemaligen Geliebten während eines Kriegsverbrecherprozesses. Hanna sitzt auf der Anklagebank und ist Täterin. Sie trug zwei Geheimnisse in sich, von denen Michael nichts ahnte. Schlinks Roman thematisiert im zweiten Teil die Shoa, lässt Täter und Opfer in einem spektakulären Kriegsverbrecherprozess aufeinander treffen. Was man im Buch jedoch geneigt ist zu überlesen, zu verdrängen, weil man sich die tragisch-schöne Liebesgeschichte nicht kaputt machen möchte, arbeitet die Verfilmung ganz deutlich heraus.
Finger in die Wunde legen
Hier bekommen die jüdischen Opfer und Überlebenden ein Gesicht. Alexandra Maria Lara spielt eine junge Frau, die eindringlich schildert, wie mehrere KZ- Aufseherinnen während eines Todesmarsches 300 Juden in Kirche verbrennen ließen, ohne die verriegelten Türen zu öffnen. Deutlicher als im Roman wird so die emotionale Unmöglichkeit einer Aussöhnung mit Mördern verdeutlicht.
Man sollte sich von den negativen Kritiken in Teilen des deutschen Feuilletons keinesfalls abschrecken lassen. "Der Vorleser" ist ein durchaus sehenswerter Film, den man nicht 1:1 mit der literarischen Vorlage vergleichen darf.