Libanons Regierung beschließt Reformpaket
21. Oktober 2019Die libanesische Regierung hat den Etat für 2020 und ein Reformpaket verabschiedet, mit dem sie auf die Wirtschaftskrise und den anhaltenden Protest Hunderttausender Bürger reagiert hat. Das Staatsdefizit solle im kommenden Jahr auf 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden, kündigte Ministerpräsident Saad Hariri an. Im laufenden Jahr betrage es rund sieben Prozent. Dafür sollten im kommenden Jahr keine neuen Steuern für die Bürger erhoben werden. Vielmehr würden die Profite der Banken stärker besteuert.
Um Ausgaben zu kürzen, sollen nach Hariris Worten die Gehälter der Abgeordneten und Minister halbiert werden. Außerdem sollen das Informationsministerium und weitere öffentliche Einrichtungen abgeschafft, andere zusammengelegt werden. Der Libanon hat eine der höchsten Verschuldungsraten der Welt.
"Wir haben heute Schritte im Kampf gegen Korruption und Verschwendung unternommen", sagte Hariri. Die Maßnahmen seien nicht dazu gedacht, die Demonstranten davon abzuhalten, ihren Unmut zu äußern. "Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand euch bedroht oder ängstigt", sagte der Regierungschef an die Adresse der Protestierenden gerichtet. Die Regierung müsse wieder das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen. Wenn die Demonstranten aber eine vorgezogene Parlamentswahl wünschten, dann werde er sie darin unterstützen. Die Proteste hätten die nationale Identität wiederhergestellt.
Hunderttausende auf den Straßen
Der Ministerpräsident ist durch die Massenproteste schwer unter Druck geraten. Sie halten auch an diesem Montag an. In der Hauptstadt Beirut blockieren Demonstranten wichtige Straßen. Landesweit sind Banken, Schulen und Universitäten geschlossen. Am Sonntag waren im Libanon hunderttausende Bürger auf die Straße gegangen. Sie forderten einen umfassenden Umbau des politischen Systems und prangerten Korruption, Vetternwirtschaft und schlechte Lebensbedingungen an. Es waren die größten Proteste seit 2005.
Die Demonstranten riefen das Hariri-Kabinett zum Rücktritt auf. Viele in der Bevölkerung haben kein Vertrauen mehr in die derzeitige Regierung und glauben auch nicht, dass tatsächlich Reformen umgesetzt werden. Die Proteste hatten sich ursprünglich an Plänen der Regierung entzündet, trotz der sich verschärfenden Wirtschaftskrise neue Steuern einzuführen, darunter eine Gebühr für die Nutzung von Textnachricht-Applikationen wie etwa WhatsApp.
Der libanesische Präsident Michel Aoun zeigte Verständnis für die Demonstranten. Er erklärte, die Proteste zeigten den "Schmerz des Volkes". Es sei allerdings unfair, jeden der Korruption zu verdächtigen.
Hohe Schuldenlast
Hariris Einheitsregierung wird von Vertretern aus dem gesamten politischen Spektrum unterstützt, bekommt aber die Schuldenlast des Landes nicht in den Griff. Die Staatsverschuldung des Libanons liegt nach Angaben des Finanzministeriums bei umgerechnet 86 Milliarden US-Dollar - mehr als 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sparmaßnahmen sind dringend notwendig, um Wirtschaftshilfen in Höhe von elf Milliarden Dollar zu erhalten, die im vergangenen Jahr von internationalen Geldgebern zugesagt worden waren.
se/sti/kle (rtr, ap, afp, kna)