Letzter Appell zum Pflicht-Wehrdienst
3. Januar 2011Nach mehr als 50 Jahren Wehrpflicht werden an diesem Montag (03.01.2011) letztmals junge Männer auch gegen ihren Willen zur Bundeswehr eingezogen. Rund 12.150 Wehrpflichtige müssen nach Angaben des Verteidigungsministeriums ihren Grundwehrdienst antreten. Obwohl der allgemeine Wehrdienst erst zum 1. Juli ausgesetzt wird, soll schon vom 1. März an niemand mehr gegen seinen Willen zum Militär einberufen werden. Die im Grundgesetz verankerte Wehrpflicht bleibt allerdings erhalten. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall soll der Wehrdienst nach Plänen der Bundesregierung wieder zur Pflicht werden.
Bundeswehr-Reform
Das vorläufige Ende des Pflicht-Wehrdienstes ist Teil einer Reform der Bundeswehr. Sie wird künftig 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten haben. Weitere 15.000 Planstellen sollen mit Freiwilligen (Männer und Frauen) besetzt werden. Dieser freiwillige Wehrdienst wird zwischen 12 und 23 Monate dauern. Neu ist künftig auch, dass in den ersten sechs Monaten - wie in der freien Wirtschaft - ein Kündigungsrecht beider Seiten besteht. Derzeit dienen etwa 240.000 Soldaten, davon rund 28.500 Grundwehrdienstleistende und 23.300 freiwillig länger Dienende.
Die von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angestoßene Reform soll die "neue Bundeswehr" kleiner und effektiver machen. Sie wird zudem vor allem auf Auslandseinsätze ausgerichtet und nicht mehr auf die Verteidigung der Landesgrenzen.
Rückblick
Die ersten 9773 Rekruten (vom Jahrgang 1937) waren am 1. April 1957 in die Kasernen der Bundeswehr eingerückt. Seitdem haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums rund 8,5 Millionen junge Deutsche ihren Pflichtdienst unter den Fahnen der Bundeswehr abgeleistet. Die Dauer der Wehrpflichtzeiten war verschieden. Es begann mit 12 Monaten, später waren es 15, in den 60er und 70er Jahren sogar 18 Monate. In den 80er Jahren wurde der Dienst auf 15 Monate reduziert, später waren es noch zehn, neun und zuletzt sechs Monate. Für die letzten 12.150 Wehrpflichtigen, die am Montag zum Dienst eingezogen wurden, ist im Juni Schluss.
Auch Frauen gehören mittlerweile zum Alltag in Olivgrün. Am 2. Januar 2001 traten bundesweit knapp 250 Frauen ihren Dienst an der Waffe an. Der Satz im Grundgesetz "Frauen dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden" war damals gefallen und die Streitkräfte mussten alle militärischen Laufbahnen für das weibliche Geschlecht öffnen. Seitdem hat der Frauenanteil in der Bundeswehr sich mehr als verdreifacht. Heute sind rund 17.300 und damit gut neun Prozent aller Berufs- und Zeitsoldaten Frauen.
Schließung von Standorten
Von den letzten 12.150 Wehrpflichtigen werden 6400 zum Heer gehen, 1400 ihren Dienst bei der Luftwaffe antreten und 700 bei der Marine den Wehrdienst ableisten. Bei der Streitkräftebasis und dem Zentralen Sanitätsdienst werden es 2800 beziehungsweise 850 Wehrpflichtige sein.
Die Verkleinerung der Bundeswehr wird voraussichtlich das Aus für mehrere Kasernen bedeuten. Noch ist allerdings unklar, welche dies sein werden. Auch beim zivilen Personal der Bundeswehr sollen einige tausend Stellen wegfallen. Verteidigungsminister zu Guttenberg will frühestens Mitte 2011 über die künftigen Standorte der verkleinerten Bundeswehr entscheiden. Guttenberg hatte im November erklärt, dass die Bundeswehr auch künftig in der Fläche vertreten sein werde. Es solle keine "Rasenmäherlösung" geben, bei der die kleinsten Standorte geschlossen würden.
Zivildienst
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht entfällt im Sommer auch die Grundlage für den Zivildienst. Derzeit leisten ihn etwa 90.000 junge Männer in sozialen Einrichtungen. An seine Stelle soll künftig der Bundesfreiwilligendienst treten. Er soll allen Männern und Frauen offen stehen, sobald sie ihre Schulpflicht erfüllt haben, also in der Regel ab der neunten Klasse. Der freiwillige Dienst soll in der Regel zwölf Monate dauern, mindestens aber sechs und längstens 24 Monate. Für die Freiwilligen werden Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung gestellt. Zudem wird die Sozialversicherung für sie übernommen. Darüber hinaus bekommen sie ein Taschengeld. Wie hoch das ausfällt, handeln die Kandidaten direkt mit ihrer Einsatzstelle aus.
Autor: Martin Schrader (afp, dapd, dpa)
Redaktion: Marko Langer