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Draisaitl: "Nur die Meisterschaft zählt"

Heiko Oldörp
12. Januar 2021

Eishockeyspieler Leon Draisaitl hat alle großen Einzel-Preise der NHL gewonnen. Dennoch ist der deutsche Profi der Edmonton Oilers nicht zufrieden. Ihm fehlt noch der ultimative Titel im Eishockey: der Stanley Cup.

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Eishockey Leon Draisaitl
Bild: Mark Humphrey/AP Photo/picture alliance

Leon Draisaitl beschreibt sich selbst als "ein Typ, der nicht so gerne zurückblickt." Vielleicht liegt das an seinem jungen Alter von 25 Jahren, vielleicht aber auch daran, dass er mit den Edmonton Oilers im vergangenen Jahr erneut nicht mal in die Nähe des Meistertitels in Nordamerikas Eishockey-Profiliga NHL gekommen ist. Als die Liga nach der Corona-Zwangspause fortgesetzt wurde, scheiterten die Oilers bereits in der ersten Playoff-Runde deutlich.

Und vielleicht war es in den vergangenen Jahren für Draisaitl ja auch gar nicht mal so schwer, nach vorne zu schauen. Auf ein neues Jahr, eine neue NHL-Saison. Doch 2020, das weiß der gebürtige Kölner selbst, ist für ihn eben kein Jahr gewesen, das er einfach so um Mitternacht des 31. Dezember mit einem "Frohes Neues" beendet und abhakt. Dafür waren seine Leistungen in den vorangegangenen 365 Tagen einfach zu stark und seine Errungenschaften zu historisch.

Längst nicht mehr nur "Sohn von Peter Draisaitl"

"Natürlich bin ich stolz auf das, was ich erreicht habe und freue mich sehr über die Auszeichnungen", sagt Draisaitl im Gespräch mit der DW. Es waren Ehrungen, die ihn auf beiden Seiten des Atlantiks auf eine neue Stufe gehoben haben. Dass die Fußballnation Deutschland einen Eishockeyspieler zum "Sportler des Jahres" wählt, wurde im Eishockey-Mutterland Kanada wohlwollend registriert. Und in seiner Heimat ist Draisaitl durch eben jene Auszeichnung auch denen ein Begriff geworden, die ihr Leben außerhalb des Eishockey-Kosmos verbringen.

Deutschland | Eishockey | Kölner Haie | Peter Draisaitl
Leon (r.) mit Vater Peter Draisaitl (l.), in den 1980er und 1990er Jahren einer der besten deutschen EishockeyspielerBild: picture-alliance/SvenSimon

Auch sie wissen jetzt, dass dieser Leon Draisaitl längst nicht mehr nur der "Sohn von Peter Draisaitl" ist, einem der besten deutschen Puckjäger der Achtziger und Neunziger. Er ist auch nicht mehr nur einer von vielen sehr guten Spielern in der stärksten Eishockeyliga der Welt. Nein, dieser Leon Draisaitl gehört zu einem ganz besonderen Kreis von Kufencracks.

Als elfter NHL-Profi mit Titel-Hattrick

Er hat in einer Saison drei der begehrtesten Trophäen (Art Ross, Hart Memorial, Ted Lindsay Award) gewonnen, die es für einen Einzelspieler zu gewinnen gibt. Draisaitl war an so vielen Toren (110) wie kein anderer der rund 650 Profis beteiligt und wurde somit Topscorer. Die Journalisten wählten ihn zum "wertvollsten Spieler" (MVP) und die Mit- und Gegenspieler zum "herausragenden Profi".

Ein solcher Hattrick gelingt einem Spieler, statistisch gesehen, in der 1917 gegründeten Liga, im Schnitt alle 9,4 Jahre. Draisaitl ist erst der elfte Profi, der in einer Saison derart hoch dekoriert wurde. Seine Vorgänger waren sechs Kanadier, zwei Russen, ein Tscheche und ein US-Amerikaner. Alles Profis aus etablierten Eishockey-Nationen. In Deutschland gibt es gerade einmal 20.000 registrierte Eishockey-Spieler und Draisaitl blieb bislang selbst in seiner Heimatstadt Köln ziemlich unerkannt.

Raus aus dem Schatten von Dirk Nowitzki

Doch nun, sagt er, sei die Aufmerksamkeit ein bisschen größer geworden. "Mehr und mehr Menschen erkennen mich", registriert Draisaitl, der seit vergangenem Sommer mit einer Marketing-Agentur zusammenarbeitet, die dafür gesorgt hat, dass der deutsche Eishockeystar in den letzten Monaten in den Medien seines Heimatlandes mit Interviews und Stories präsent war.

Tennis Alexander Zverev
Werbetermin beim ATP-Turnier in Köln: Leon Draisaitl (r.) mit Alexander Zverev auf dem TenniscourtBild: Benjamin Soelzer/Eibner-Pressefoto/picture alliance

In Deutschland ist Draisaitl oft mit Dirk Nowitzki in Zusammenhang gebracht worden. Der ehemalige Basketballer der Dallas Mavericks war zwei Jahrzehnte lang der personifizierte Botschafter seiner Sportart. Ein deutscher Superstar in Nordamerika, der Dallas 2011 zum Meister-Titel führte, der MVP der NBA wurde und "Sportler des Jahres" daheim. Die deutschen Medien nannten Draisaitl in seinen NHL-Anfangsjahren gerne "Nowitzki des Eishockeys." Er selbst hat oft genug betont, das für das Eishockey erreichen zu wollen, was Nowitzki im Basketball gelungen sei.

Doch mttlerweile ist Draisaitl selbst eine Persönlichkeit in seinem Sport und sogar darüber hinaus und ebenfalls mit höchsten Ehrungen und Elogen bedacht worden - sogar in einem jüngeren Alter als Nowitzki. Der wurde mit 28 Jahren MVP und mit 33 "Sportler des Jahres".

Draisaitl schmeicheln die Vergleiche mit einem der bekanntesten Athleten der deutschen Sportgeschichte immer noch. Doch wer in sechs Jahren vom Talent zum Topscorer und MVP der NHL aufgestiegen ist, der braucht sich nicht länger im zweifelsohne großen Schatten eines 2,13-Meter-Giganten zu verstecken. "Ich hoffe, die Menschen realisieren, dass ich halt nicht Dirk Nowitzki bin, sondern einfach Leon Draisaitl."

In sechs Jahren nur zweimal Playoffs gespielt

USA Dirk Nowitzki
Basketball-Superstar Dirk Nowitzki im April 2019Bild: picture-alliance/AP Images/LM Otero

Was dem Rheinländer noch fehlt, um endgültig mit dem Würzburger auf einer Ebene zu stehen, ist die Meisterschaft. Es mag etwas panisch klingen, wenn ein 25-Jähriger davon spricht, dass der Gewinn des Stanley Cup das Einzige sei, das für ihn noch zähle. Zumal in einer Sportart, in der Einige mit 40 Jahren noch in der NHL spielen. Andererseits ist Draisaitls Denkweise ein Beleg dafür, dass er, trotz seines jungen Alters, alle großen individuellen Auszeichnungen schon gewonnen hat. Und in der Mannschaftssportart Eishockey zähle letztlich nur der Gewinn des Stanley Cup, hebt er hervor.

Doch wer NHL-Champion werden will, der muss die Playoffs erreichen. Und daran haperte es bislang oft in Draisaitls Karriere. In seinen sechs NHL-Jahren war er erst zweimal in der K.o.-Runde dabei. Dabei haben die Oilers neben ihm mit Kapitän Connor McDavid einen weiteren Superstar. Doch "zwei Elite-Spieler machen noch keinen Meisterschaftskader", schrieb ESPN.com.

Wieder vereint mit Kumpel Kahun

"Ich glaube, dass wir ein paar gute Neuzugänge bekommen und daher ein tieferes Team haben", sagt Draisaitl mit Blick auf die anstehende Saison. Einer der Neuen ist Dominik Kahun. Ihn kennt Draisaitl nicht nur aus der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft, sondern bereits aus Zeiten in der Schülermannschaft der Mannheimer Jungadler, als sie in der Saison 2010/2011 perfekt miteinander harmonierten. Draisaitl kam in 29 Partien auf 192 Scorerpunkte, Kahun schaffte in 30 Spielen sogar 206 Zähler.

Eishockey Jungadler vs. Eisbaeren
Erfolgreich bei den Jungadlern: Leon Draisaitl (2.v.l.) und Dominik Kahun (r.) feiern die NachwuchsmeisterschaftBild: CITYPRESS 24/picture alliance

"Das waren andere Zeiten. Dominik und ich waren damals schon sehr dominant, das zeigen die Zahlen ja auch", sagt Draisaitl. In der Saisonvorbereitung hat Oilers-Trainer Dave Tippett Kahun neben Draisaitl spielen lassen. Er hoffe, so Draisaitl, dass beide eine ähnliche Chemie entwickeln, wie vor zehn Jahren in Mannheim. Doch bei seinen Gedanken an jene Jugendtage schränkt der "Typ, der nicht so gerne zurückblickt" sofort ein: "Natürlich wird es von uns keine 200 Punkte-Saison geben. Ich glaube, dass weiß aber auch jeder."