Legendäre Ausstellung rekonstruiert
30. August 2012Nach 100 Jahren sind viele der bedeutendsten Werke der europäischen Moderne vor dem Ersten Weltkrieg nach Köln zurückgekehrt, an den Ort einer damals Aufsehen erregenden Ausstellung. Es handelt sich um die wohl wichtigste Präsentation der Kunst der europäischen Moderne aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die bahnbrechende Jahrhundertschau der damaligen Kunstvereinigung Sonderbund von 1912 wird erstmals im Kölner Wallraf-Richartz-Museum umfassend wiederbelebt.
Berühmte Namen
Zur Schau der Superlative gehören Bilder der europäischen Avantgarde wie Vincent van Gogh, Paul Cézanne und Edvard Munch sowie deren damals junge Vertreter, darunter neben Pablo Picasso und August Deusser auch Emil Nolde. Für die aktuelle Präsentation "1912 - Mission Moderne" - die am Freitag (31. August) öffnet - hat Kuratorin Barbara Schaefer weltweit rund 120 Bilder zusammengetragen. Jahrelang forstete sie akribisch den Exponaten von damals nach. Einige waren nicht mehr auffindbar, andere hingen in renommierten Häusern vom Museum of Modern Art in New York bis zur Londoner National Gallery - oder lagerten bei Privatsammlern.
Im Jahr 1912 hatte die Kölner Sonderbundausstellung in einer Schau der Superlative rund 650 Werke der europäischen Moderne präsentiert - allein 130 Gemälde von Vincent van Gogh, 25 von Paul Gauguin und 32 von Edvard Munch. Mit diesen Namen und der Vielzahl an Arbeiten konnte bis dahin keine Ausstellung in Deutschland mithalten. Das Ziel der Kunstvereinigung Sonderbund war, jungen Künstlern der Moderne zum Durchbruch zu verhelfen.
1912 in Berlin undenkbar
Indessen gibt es Berichte vom Sommer 1912, wonach Kunstinteressierte kopfschüttelnd durch die Ausstellung wanderten: So etwas hatte man noch nie zuvor gesehen. Viele der Bilder hingen nur einreihig nebeneinander. Dies erschien als reine Platzverschwendung. In der Hauptstadt Berlin wäre eine solche Schau 1912 undenkbar gewesen. Dafür sorgte der reaktionäre Kaiser Wilhelm II., der von seinem Stadtschloss aus die Nationalgalerie immer im Blick hatte. Köln hingegen lag am westlichen Rand des Reiches - auf halbem Weg nach Paris. Vielleicht half das.
Noch ein Jahr vor der Schau des Sonderbundes hatte die Bremer Stadthalle für einen Eklat gesorgt - weil sie ein Bild von Picasso erworben hatte. Der in Düsseldorf ansässige Sonderbund Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler, eine Gruppe aus Künstlern, Sammlern und Galeristen, hielt dagegen und stärkte den jungen Malern demonstrativ den Rücken. Die Stadt Düsseldorf lehnte eine Ausstellung aber ab. Und so wandte sich der Sonderbund an den "Regional-Rivalen" stromaufwärts. Und die Kölner griffen zu, auch wenn der schnell wachsende Industriestandort damals keineswegs den Ruf einer Kunststadt genoss.
Erfindung: Museumscafé
Heute sehen fast alle Ausstellungen so aus wie die damalige Kölner Schau. Umso mehr überrascht, dass ebenso wie die Präsentation auch andere Selbstverständlichkeiten im Jahr 1912 in Köln erfunden worden sein sollen: Das Museumscafé, ein Kurzführer zur Ausstellung sowie das Marketing mit Reklamebannern, Postkarten und Werbeartikeln.
Der damaligen Presse war die Schau dennoch ein Dorn im Auge. So meinte das "Kölner Tageblatt" zu den Bildern des noch unbekannten jungen Spaniers namens Picasso: "Seine Versuche, die Dinge kubisch zu sehen, sind nichts mehr als Exzentritäten eines kranken Geistes". Und in der "Rheinischen Zeitung" stand: "Karlchen macht mit seinen Bauklötzen dieselben Gebilde". So ändern sich Geschmäcker: Heute zählt Picasso zweifellos zu den bedeutendsten Künstlern weltweit.
Bis zum 30. Dezember kann man sich im Wallraf-Richartz-Museum in Köln die Rekonstruktion der legendären Schau ansehen.
hp/qu (dapd, dpa)