Lebenslang für Kuciak-Mörder?
20. Dezember 2019Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat in der Slowakei das Verfahren um den Mord an dem Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak begonnen. Der mutmaßliche Drahtzieher, der Geschäftsmann Marian Kočner (Artikelbild), wurde mit kugelsicherer Weste zu der Anhörung vor dem Sondergericht nördlich der Hauptstadt Bratislava transportiert. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, den Mord an dem Journalisten in Auftrag gegeben zu haben. Neben Kočner mussten dessen Bekannte Alena Zsuzsová, der mutmaßliche Kuciak-Mörder Miroslav Marček und sein angeblicher Helfer Tomáš Szabó auf der Anklagebank Platz nehmen.
Der 27-jährige Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová waren im Februar 2018 erschossen worden. Der Reporter hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und slowakischen Politikern recherchiert und sich auch mit den Geschäften von Kočners zahlreichen Unternehmen befasst.
Alle vier Beschuldigten sind der vorsätzlichen Tötung angeklagt. "Für diese Tat sind entweder 25 Jahre Haft oder eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen", erklärte die vorsitzende Richterin Ružena Sabová. Auf der Anklagebank fehlte nur Zoltán Andruskó, der als Mittelsmann fungiert haben soll. Andruskó ist der einzige, der die Tat gestanden hat und mit den Ermittlern kooperiert. Deswegen wird er im einem separaten Verfahren vor Gericht kommen.
Mit Handschellen und Beinfesseln
Die nun gestartete Verhandlung findet vor einem Sondergericht in Pezinok statt, das auch für organisierte Kriminalität und Korruption zuständig ist. Aus Sicherheitsgründen wird sie nicht im Gebäude des Gerichts abgehalten, sondern im großen, vom Zaun mit Stacheldraht umgebenen Komplex der benachbarten Polizeiakademie.
Am Donnerstag wurden die Angeklagten von vermummten und bewaffneten Beamten der Justizwache in Handschellen und - außer Kočner - mit Ketten an den Beinen vorgeführt. Erst nach mehr als einer halben Stunde ordnete Richterin Sabová an, die Fesseln abzunehmen. Dann eröffnete sie die öffentliche Sitzung des Gerichts.
Gegenüber der Anklagebank: Staatsanwälte und die Eltern des ermordeten Journalisten, Jána Kuciaková und Jozef Kuciak. Auch die Mutter von Kuciaks getöteter Verlobter, Zlatica Kušnírová, kam nach Pezinok.
Zum ersten Mal konnten sie jene Menschen sehen, die ihre Kinder umgebracht haben sollen. "In ihren Blicken und Gesten habe ich nicht bemerkt, dass sie sich zumindest dessen bewusst sind, was sie getan haben. Das sind leere Menschen, deren um nichts anderes als um Geld geht", meinte Zlatica Kušnírová in einer Verhandlungspause. Sie hofft, dass die Täter lebenslang hinter Gitter müssen. "Sie haben es verdient."
Kein Interesse an einer Einigung
Auf die Frage der vorsitzenden Richterin, ob er zu einer "Verständigung über das Strafmaß" bereit wäre, sagte Kočner: "Ich bin an keiner Einigung interessiert." Auch die drei weiteren Angeklagten lehnten dies ab. Voraussetzung für eine Strafminderung wäre gewesen, dass sie sich zu der Tat bekennen.
Kočners Anwalt Marek Para erklärte vor Gericht, er habe die Unterlagen zur Vorbereitung der Verteidigung nicht vollständig erhalten. Para führte eine Reihe angeblicher Ermittlungsfehler an und forderte, das Verfahren zu vertagen. "Ich bin überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Eröffnung des Prozesses in der Sache nicht erfüllt sind", sagte er.
Doch Richterin Sabová sah das anders. Auch berief sie sich auf eine psychiatrische Untersuchung der Angeklagten: "Ich finde keine Gründe, die Strafverfolgung als unzulässig zu erklären." Die Hauptverhandlung wird nach Angaben Sabovás am 13. Januar beginnen.
Kurz darauf ist die Sitzung schon zu Ende. Alena Zsuzsová verlässt den Saal so, wie sie ihn betrat: das Gesicht hinter einer Dokumentenmappe versteckt. Miroslav Marček und Tomáš Szabó weichen Blicken aus, allein Marian Kočner schaut geradeaus. "Aber er sieht nicht mehr so arrogant aus wie vorher", glaubt Zlatica Kušnírová.
Der ehemalige Innen- und Justizminister Daniel Lipšic, der die Kuciaks vertritt, hätte nach eigenen Worten nie geglaubt, dass jemand in seinem Land so immun gegen Strafen fühlen konnte. Doch durch seine guten Beziehungen zur Justiz und - über seinen Bekannten Norbert Bödör - zur Nationalen Kriminalagentur NAKA "dachte er, er kann sich alles leisten und nichts wird ihm passieren".