Darmbakterien gegen Bienenkrankheiten?
30. Januar 2020Vor allem die Varroa-Milbe ist vielfach für den Verlust von ganzen Bienenvölkern verantwortlich. Der blutsaugende Parasit setzt sich auf die Unterseite oder den Rücken der Honigbiene und beißt sich dort im Chitinpanzer fest. An den Einbissstellen können dann leicht Krankheitserreger wie das Krüppelflügelvirus eindringen, wodurch die Biene flugunfähig wird.
Möglicherweise gibt es jetzt eine vielversprechende Methode, um Bienenvölker vor zwei der gefährlichsten Krankheitserreger zu schützen: Wissenschaftler von der University of Texas in Austin generierten gentechnisch veränderte Darmbakterien, die – angesiedelt im Darm der Bienen – deren Abwehr gegen das Krüppelflügelvirus und die Varroa-Milben stärkten.
Parasiten schutzlos ausgeliefert
Ursprünglich stammt die Varroa-Milbe aus Südostasien. Von da aus gelangte sie schließlich in viele Regionen der Welt. 1977 wurde sie erstmals auch in Deutschland nachgewiesen. Die meisten Bienenarten weltweit haben keine wirksame Abwehrstrategie gegen die Parasiten entwickeln können, was maßgeblich zum dramatischen Bienensterben beigetragen hat.
Die US-Forscher nutzten für ihre aktuelle Arbeit die Methode der RNA-Interferenz (RNAi), einen natürlichen Mechanismus, bei dem Gene stillgelegt werden. Sie veränderten Bakterien der Art Snodgrassella alvi, welche als natürlich vorkommende Symbionten (die kleineren, der an einer Symbiose beteiligten Arten) im Mikrobiom der Bienen existieren. Diese Bakterien gaben im Darm der Tiere Ribonukleinsäure (RNA)-Moleküle ab, die zum Stilllegen von Genen der Varroa-Milbe oder des Krüppelflügelvirus führten.
Bienen, welche die gentechnisch veränderten Bakterien über die Nahrung aufgenommen hatten, überlebten unter den experimentellen Laborbedingungen eine Virusinfektion deutlich länger. Auch starben die Varroa-Milben schneller ab. Veröffentlicht haben die Wissenschaftler der University of Texas in Austin Ihre Ergebnisse imFachjournal "Science".
Zurückhaltende Reaktionen aus Deutschland
Die neuesten Ergebnisse wurden von Deutschen Biologen zurückhaltend kommentiert: "Von einem Durchbruch der Virus- und Varroa-Bekämpfung kann man [...] zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgehen", sagt der emeritierte Professor Dr. Randolf Menzel. Er leitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Biologie und Neurobiologie an der Freien Universität Berlin
Da es sich nur um eine Laborstudie mit wenigen Bienen handelt, lasse sich nicht abschätzen, ob sich Virus- und Varroa-Infektionen so wirklich erfolgreich bekämpfen lassen, ob die Herstellung der notwendigen RNA-Moleküle mit vertretbaren Kosten und der nötigen Spezifität möglich ist und ob sich die Methode auf andere Bienenkrankheiten übertragen lasse, so Prof. Menzel.
Eine Anwendung der Methode außerhalb des Labors hält der Biologe für nicht verantwortlich: "Da Bakterien außerordentlich schnell mutieren, lässt sich auch nicht ausschließen, dass diese Bakterien die Wirkungen auf andere Tiere und den Menschen übertragen, wenn diese die Bakterien aufnehmen. Welche Auswirkungen damit verbunden sein können, ist nicht vorherzusehen."
Unverhersehbare Auswirkungen bei Freilandversuchen
Auch der Zoologe Prof. Dr. Robert Paxton warnt davor, 'fremde Gene' in die Umwelt freizusetzen. Er leitet die Arbeitsgruppe Allgemeine Zoologie am Institut für Biologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Zwar verspreche der neue Ansatz "eine kurz- bis mittelfristige Lösung für das wichtigste Problem der Honigbienen und Imker auf der ganzen Welt,"
Zunächst müsse aber in Laborexperimenten nachgewiesen werden, dass der Ansatz auch in großen Bienenvölkern mit bis zu 50.000 erwachsenen Honigbienen funktioniert und ein "horizontaler Gentransfer" ausgeschlossen werden kann.
"Ich denke, wir brauchen einige strenge empirische Studien in geschlossenen Systemen mit großen Honigbienenvölkern, die mit GVO-Bakterien [gentechnisch veränderter Organismus] gefüttert werden, um zunächst zu prüfen, ob Gene entweichen können, bevor der Ansatz, so vielversprechend er auch sein mag, im Feld eingesetzt wird", sagt Paxton, der auch Mitglied des Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig ist.