Lange Pannen-Liste
8. Januar 2013Es gab einmal eine Zeit, da hatte Berlin drei funktionierende Flughäfen: Tegel, Tempelhof und Schönefeld. Doch nach der deutschen Wiedervereinigung hielten die politisch Verantwortlichen diese Dreiteilung für nicht mehr angemessen. Ein neuer, großer Flughafen sollte her, der einer deutschen Hauptstadt würdig sei und der den anderen großen deutschen Flughäfen in Frankfurt und München Konkurrenz machen soll.
Nach einigen Schwierigkeiten bei der Standortwahl fiel im Juni 1996 die Entscheidung: Der ehemalige DDR-Flughafen Schönefeld sollte zum neuen Hauptstadtflughafen ausgebaut, die Flughäfen in Tegel und Tempelhof dafür geschlossen werden. Ein Beschluss, den die Entscheider heute möglicherweise bereuen. Denn das Großprojekt schlitterte von einer Panne zur nächsten. Schon vier Mal musste inzwischen die Eröffnung verschoben werden.
Bei Baubeginn am 5. September 2006 hieß es, die ersten Maschinen würden im Oktober 2011 auf dem neuen Willy-Brandt-Airport starten und landen. Doch schon damals gab es die erste Störung im Ablauf: Der Betreiber, die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, verlangte mehr Platz für Restaurants und Läden. 2007 kamen weitere Zusatzwünsche hinzu. Auf einmal wurden mehr Fluggastbrücken, Rollbänder und Flugsteige benötigt. Am ursprünglichen Eröffnungstermin wurde aber festgehalten. Und so stellte auch - wie geplant - der älteste Berliner Flughafen Tempelhof am 30. Oktober 2008 seinen Betrieb ein.
Erst im Juni 2010 erkannte die Flughafengesellschaft, dass die Zeit knapp wurde. Der für Ende Oktober 2011 geplante Eröffnungstermin wurde auf den 3. Juni 2012 verschoben. Als Begründung wurden die Pleite einer Planungsfirma und verschärfte Sicherheitsbestimmungen angeführt. Am neuen Eröffnungstermin 2012 wollten die Bauherren aber unbedingt festhalten, Abweichungen sollte es ab sofort keine mehr geben.
Schönefeld war von Anfang an als Standort umstritten. Auch Jüterbog und Sperenberg, zwei ehemalige sowjetische Militärflugplätze deutlich außerhalb Berlins, hatten es in die engere Auswahl geschafft. Den Ausschlag für Schönefeld gab schließlich aber dessen stadtnahe Lage im Südosten von Berlin. Der Nachteil: Lärmbelästigung der Anwohner durch Fluglärm und kein zulässiger 24-Stunden-Flugbetrieb.
Mehrmals war über das Nachtflugverbot verhandelt worden. Gerade im Frachtflugverkehr hätte man somit neue Kunden gewinnen können, doch am 20. Oktober 2009 wurde das Lärmschutzkonzept festgelegt. Zwischen 0.00 und 5.00 Uhr sind auf dem neuen Hauptstadtflughafen keine regulären Flüge erlaubt. Wohl aber in den späten Abendstunden bis Mitternacht und in den frühen Morgenstunden ab 5 Uhr. Im Oktober 2011 scheiterten Klagen der Brandenburger Gemeinden Blankenfelde-Mahlow, Eichwalde, Großbeeren und Schulzendorf sowie von etwa 40 Anwohnern vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den Planergänzungsbeschluss für den Nachtflugverkehr.
Absage des Umzugs kurz vor der Eröffnung
Im Frühjahr 2012 rückte der Eröffnungstermin immer näher. Hunderte Statisten simulierten mehrmals auf der Baustelle den Echtbetrieb. Check-in, Gepäckabfertigung und Sicherheitskontrolle wurden getestet. Journalisten wurden über den Flughafen geführt, Zeitungen druckten Reportagen und Geschichten über den bevorstehenden Umzug von Gangways, Löschfahrzeugen und Bodenpersonal. Denn die Eröffnung ist auch eine logistische Herausforderung.
In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni - so der Plan - sollte der Flugbetrieb auf dem Flughafen Tegel komplett eingestellt und auf den neuen Flughafen umgeleitet werden. Doch erst am 8. Mai 2012 - keine vier Wochen vor Eröffnung - passiert das Unfassbare: Die für 3. Juni geplante Eröffnung wird wegen Problemen beim Brandschutz überraschend gestoppt. Der Baudezernent des Landkreises Dahme-Spreewald verweigert als oberster Bauaufseher die Inbetriebnahme. Als neuen Eröffnungstermin nennt der Aufsichtsratsvorsitzende, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), den 17. März 2013. Gleichzeitig verliert Chefplaner Manfred Körtgen seinen Job.
Und es kommen weitere Schwierigkeiten auf die Bauherren zu: Im Juni 2012 setzen Anwohner des Hauptstadtflughafens gerichtlich einen besseren Schallschutz durch. Die Flughafengesellschaft habe mit ihrem bisherigen Lärmschutzprogramm Auflagen "systematisch verfehlt", urteilt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Für die Betreiber bedeutet das zusätzliche Kosten. Der Flughafen soll gut eine Milliarde Euro teurer werden als geplant und insgesamt mehr als vier Milliarden Euro kosten.
Schon im September 2012 ist klar, die Eröffnung im Frühjahr 2013 ist nicht mehr zu bewerkstelligen. Der Aufsichtsrat verschiebt den Termin erneut - diesmal auf den 27. Oktober 2013. Eine Finanzlücke von rund 1,2 Milliarden Euro wird bekannt. Das Geld soll für Baumaßnahmen, den Lärmschutz und Mehrkosten durch die Verschiebung ausgegeben werden. Damit steigen die Gesamtkosten auf rund 4,3 Milliarden Euro.
Airport soll zu klein geplant sein
Gleichzeitig setzt das Berliner Abgeordnetenhaus einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Flughafenaffäre ein. Im Dezember 2012 tauchen mehrere Gutachten auf, laut denen der Airport schon bei der Inbetriebnahme an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Der Flughafen sei für die Zahl der erwarteten Passagiere zu klein geplant, sowohl die Check-in-Schalter als auch die Gepäckbänder würden schon bei der Inbetriebnahme des Flughafens voll ausgelastet sein.
Am 6. Januar 2013 melden mehrere Zeitungen unter Berufung auf den Aufsichtsrat, dass sich die Eröffnung einmal mehr verschiebt. Diese Entscheidung soll bereits am 18. Dezember getroffen worden sein. Frühestens 2014 sollen nun Flugzeuge in Berlin abheben.
Grund für die neuen Verzögerungen sollen Medienberichten zufolge Baufehler insbesondere beim Brandschutz sein. Einen Tag später gibt Klaus Wowereit seinen Rückzug als Chef des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft bekannt. Auf einer vorgezogenen Aufsichtsratssitzung am 16. Januar wird der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zu seinem Nachfolger gewählt. Außerdem wird Flughafen-Chef Rainer Schwarz entlassen.