Lange Haft für Kirill Serebrennikow gefordert
22. Juni 2020Der auch in Deutschland populäre Regisseur Kirill Serebennikow soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft in Moskau für sechs Jahre ins Gefängnis. Wegen Betrugs solle der 50-Jährige zudem 800.000 Rubel (rund 10.300 Euro) Strafe zahlen, verlangte Staatsanwalt Michail Resnitschenko vor einem Moskauer Gericht.
Mitarbeiter sollen auch ins Gefängnis
Die russische Justiz wirft dem Chef des Moskauer Gogol-Zentrums vor, Fördergelder veruntreut zu haben. Die Rede ist von 129 Millionen Rubel (1,6 Millionen Euro). Mit ihm sind drei Mitarbeiter angeklagt. Sie sollen nach dem Willen der Anklagebehörde vier beziehungsweise fünf Jahre ins Gefängnis.
Das Verfahren steht international als politischer Schauprozess gegen die liberale Kunstszene in Russland in der Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie internationale Stars haben sich für den Filme- und Theatermacher eingesetzt. Serebrennikow beteuerte stets seine Unschuld.
Liberale Künstler im Visier der Justiz
Russische und internationale Kulturschaffende sprechen von einem Rachefeldzug ultrakonservativer Kreise gegen den liberalen Künstler. Auch die politisch einflussreiche russisch-orthodoxe Kirche stört sich an seinen bisweilen gesellschaftskritischen Filmen. Zuletzt im März hatte der mit vielen Preisen ausgezeichnete Regisseur in Abwesenheit für das Deutsche Theater in Berlin das Stück "Decamerone" inszeniert.
Im Laufe des 2018 begonnenen Prozesses hatten tausende Kulturschaffende in Russland auch an Kulturministerin Olga Ljubimowa appelliert, die Anschuldigungen gegen Serebrennikow und sein Team fallenzulassen. So gab es in dem Verfahren immer wieder Wendungen. Im vergangenen Jahr kam Serebrennikow nach mehr als anderthalb Jahren im Hausarrest auf freien Fuß. Er durfte zwar arbeiten, aber Moskau nicht verlassen.
Militärgericht verurteilt linke Aktivisten
Derweil wurden in Sankt Petersburg zwei linke Aktivisten wegen Mitgliedschaft in einem Terrornetzwerk zu fünfeinhalb und sieben Jahren Straflager verurteilt. Einer der Männer (27) sei von dem Militärgericht außerdem des Besitzes von Sprengstoff für schuldig befunden worden, berichtet die Agentur Interfax.
Vor dem Gericht hätten Anhänger "Schande" und "Antifaschist ist kein Terrorist" skandiert. Zudem hätten sie gefordert, politische Gefangene freizulassen. Der andere Angeklagte (25) habe zuvor seine Schuld bestritten und behauptet, unter Folter gestanden zu haben. Der 27-Jährige habe sich dagegen schuldig bekannt, hieß es.
Gegen das Netzwerk der Aktivisten hatte es bereits im Februar erste Urteile gegeben, die von Menschenrechtlern als nicht fair kritisiert wurden. Zudem seien die Strafen zu hoch, hatte es geheißen. Für Empörung sorgte damals vor allem, dass fünf Verurteilte ihre Geständnisse nur unter Folter gemacht haben sollen.
uh/rb (dpa, rtr, afp)