"Es war eine Wahl der Persönlichkeiten"
14. März 2021Schon kurz nach Schließung der Wahllokale in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz stand das wichtigste Ergebnis schon fest: Die alten Ministerpräsidenten sind auch die neuen. Winfried Kretschmann (Grüne) kann in Stuttgart weiterregieren, Malu Dreyer (SPD) in Mainz. Kretschmann fasste das in Stuttgart so zusammen: "Grün und Baden-Württemberg, Baden-Württemberg und Grün: Das passt zusammen."
Schäuble: Ganz klar eine Wahl der Personen
Dabei haben beide Regierungschefs fast ein Jahr lang alle Beschlüsse in der Corona-Politik in Verhandlungen mit der Bundeskanzlerin mitgetragen, auch die zuletzt immer unpopuläreren. Aber gerade in der Krise zeigt sich ein altes Prinzip der deutschen Politik: Wenn die Zeiten hart werden, wechseln die Menschen ungern die Pferde. Das sieht auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) so. Er sagte in der ARD kurz nach Schließung der Wahllokale: "Es war eine Wahl der Persönlichkeiten, die durch die Corona-Krise noch wesentlich verstärkt worden ist."
Merkels Beliebtheit hilft der CDU im Herbst nicht
Was das allerdings für die Bundestagswahl im Herbst bedeutet, ist unklar. Denn die Amtsinhaberin in Berlin, Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU, tritt nicht noch einmal an. Für den neuen CDU-Chef Armin Laschet, oder, falls sich die Union für ihn entscheidet, den CSU-Ministerpräsidenten in Bayern, Markus Söder, heißt das nicht, dass Merkels Amtsbonus einfach übertragbar wäre. Die politische Lage in Deutschland mitten in der Pandemie ist so offen wie selten.
Die Masken-Affäre schadet der Union massiv
Die CDU hat herbe Verluste hinnehmen müssen und in beiden Bundesländern ihre Wahlziele verfehlt. In Baden-Württemberg rutscht die Partei auf einen historischen Tiefstand. Das liegt sicher auch am schlechten Erscheinungsbild der CDU-geführten Bundesregierung: Das Impfchaos, Streit um Schulschließungen, die ewigen Beschränkungen, die Meldungen aus dem Ausland, wo wesentlich schneller geimpft wird. Das alles schadet CDU und CSU. Und vor allem: Der Skandal um Bundestagsabgeordnete beider Parteien, die sich zu Beginn der Pandemie bei dubiosen Masken-Geschäften bereichert haben.
Im Moment ist es für die Partei Angela Merkels schwer, aus diesem Tief herauszufinden. Die Pandemie wird weitergehen, immer noch ist nicht genug Impfstoff da, die Beschränkungen werden trotz leichter Lockerungen noch lange den Alltag in Deutschland bestimmen.
Immer mehr: Die Grünen sind die neue Mitte
Die Grünen sind durch den mittlerweile dritten Wahlsieg von Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, diesmal mit riesigem Vorsprung, endgültig zur Machtübernahme auch in Berlin bereit. Und eigentlich alles spricht dann für eine Koalition an der Seite der Union. Die alte Umwelt-und Protestpartei ist für viele Menschen in Deutschland die neue Mitte. Am Wahlabend klang Robert Habeck, einer von beiden Vorsitzenden der Grünen, schon richtig staatstragend. Er sagte in der ARD: "Weitsicht und Pragmatismus: Das ist der Auftrag an die Grünen, an die gesamte Bundespartei an diesem Wahlabend. Aber so stark der Abend für uns ist, wir sind auch nachdenklich. Das Vertrauen, die Akzeptanz in die Politik und in demokratische Entscheidungen bröckelt." Auch in Rheinland-Pfalz legen die Grünen zu, hier als kleiner Koalitionspartner. An der Umweltschutzpartei wird wohl kein Weg vorbei führen, wenn es im Herbst um die Regierungsbildung auch auf Bundesebene geht.
Die SPD kann siegen, aber bleibt im Bund schwach
Die SPD hat mit Malu Dreyers Wahlsieg in Rheinland-Pfalz zwar bewiesen, dass sie weiterhin gewinnen kann, aber in den bundesweiten Umfragen kommen die Sozialdemokraten aus dem 15-Prozent-Turm schwer heraus. Deshalb ist der Optimismus, den der Kanzlerkandidat der SPD, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, am Wahlabend verbreitete, schon etwas überraschend. Seine Partei habe schon ein Wahlprogramm und eine Person an der Spitze, nämlich ihn, so Scholz. Das werde sich bald auszahlen: "Das ist alles Teil einer sehr klaren Strategie, die dazu beitragen soll, dass wir Woche für Woche, Monat für Monat dem Ziel näher kommen." In der Hauptstadt von Rheinland-Pfalz, in Mainz, freute sich Wahlsiegerin Malu Dreyer jedenfalls riesig, die mit ihrer ruhigen und sachlichen Art im Land gut ankommt: "Es ist einfach nur schön, dass wir so klar an der Spitze stehen und unser Ziel erreicht haben, mit Abstand stärkste Partei zu sein."
Die Ampel: Hoffnung für die FDP
Die FDP kann sich in beiden Bundesländern weitgehend stabilisieren und muss darauf hoffen, am ehesten in Ampelkoalitionen gebraucht zu werden. In Rheinland-Pfalz spricht vieles für eine Fortsetzung des Bündnisses mit den Grünen und der SPD. Zuletzt hatte sich auch die Bundes-FDP immer häufiger von CDU und CSU distanziert. FDP-Chef Lindner weiß: Eine Ampel ist auch nach der Bundestagswahl im Herbst die größte Chance für die FDP, zurück an die Macht zu kommen.
Rückschläge für die Rechtspopulisten
Die Rechtspopulisten von der AFD können vom Frust über die Corona-Krise, von der Pandemie-Müdigkeit vieler Bürger nicht profitieren. Sie verlieren deutlich in beiden Ländern. Sicher hat ihnen auch geschadet, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nun die gesamte Partei als rechtsextrem einstuft und eine Beobachtung prüft, auch wenn Gerichte die Umsetzung erst einmal gestoppt haben. Lange ging es bei jeder Wahl für die Rechtspopulisten nur nach vorne, der Trend scheint erst einmal gestoppt.
Kein Fingerzeig für die Linken
Die beiden Wahlen an diesem Sonntag waren für die Linkspartei kein wirklicher Fingerzeig für die Bundestagswahl. Sie waren vorher in keinem der beiden Landtage vertreten und sind es nun auch nicht. Nach wie vor müssen die Linken ihre Stimmen im Osten holen.